Archiv der Kategorie: Wettern der Woche

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext.

Reale Gespenster

Reale Gespenster – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

In der Whatsapp-Gruppe einiger Soldaten taucht der Dialog auf: „Haben Sie etwas gegen Flüchtlinge?“ – „Ja, Pistolen, Maschinengewehre, Handgranaten.“ Jaja, schon gut – das war vor drei Jahren! Inzwischen haben sich die Jungs längst die Waffen besorgt. Weiß man’s? Und: Der Witz ist uralt und wird immer populärer. Der größte Witz sind allerdings die rechtzeitig angesagten Hausdurchsuchungen von Kaserne zu Kaserne durch den Oberbefehlshaber der Wehrmacht. Alles in Deckung, ob echte oder falsche Nazis, schuldig oder nicht. Über den Rest der Truppe wird ein naturnahes Tarnnetz gespannt: Hasch mich, ich bin der Frühling, würde meine Omi Glimbzsch jetzt sagen. Übrigens – was für ein Spaß, wenn man die Aufklärer aus dem Hause von der Leyen wieder mal so richtig auflaufen lässt! Ursula von der Leyen sprach von strukturellen und Haltungsproblemen, von Führungsschwäche und „falsch verstandenen Korpsgeist“ – aber wie sieht der richtige aus? Egal, die parteipolitischen Militärexperten aller Couleur hatten es eilig, der Ministerin kräftig auf den Helm zu hauen, wie Feldwebel Arnold von den Sozis. Die Frage ist aber: Wie tickt die Bundeswehr? Und wenn mal was in die Hose geht: Welche Informationen werden weitergegeben – und welche nicht? Uwe Mundlos, das wissen alle und die Vorgesetzten, „erfüllte seinen Dienst zur vollen Zufriedenheit und fiel bisher nicht negativ auf.“

Alfred Josef Ferdinand Jodl, Generaloberst und Kriegsverbrecher, hat auf der bayerischen Fraueninsel ein wunderbares Grabmal. Wieder und wieder pilgern Soldaten aller Waffengattungen hin – die Augen rechts. Mach, was wirklich zählt, so ein aktueller Slogan der Bundeswehr.

Die Augen rechts! Denn das Gespenst, das heute umgeht in Europa, ist nicht jenes, mit dem der olle Marx vor 170 Jahren dem ollen Engels drohte – und auch nicht jenes, das eben in Schleswig-Holstein die 1,5 % hinzugewonnen hat. Die gefährlichen Gespenster unserer Tage sind absolut real. Sie fahren quer durch Europa in demokratischen Wahlen ganz andere Ergebnisse ein.

Du bist Burka

Peter Grohmann steckt seine Nase in Dinge, die uns was angehen

„Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand, wir sind nicht Burka“, sagt de Maziere. Bild hat mitgeschossen bei dieser aktuellen Suada zur Leitkultur. Der direkte Adressat sind die WählerInnen der AfD, der indirekte der Muselmann und sein Weib. Was de Maziere, vielleicht aus Platzmangel, vorsichtshalber nicht sagt: Wir schlagen mitunter unsere Frauen auch grün und blau, wir missbrauchen unsere Kinder, wir betrügen die Allgemeinheit durch Steuerflucht. Thomas sagt: „Wir vermummen uns nicht“. In schlechten Zeiten ist auch der Hering ein Fisch, sagte meine Omi Glimbzsch in Zittau. Denn was das Vermummungsverbot angeht: Das gilt natürlich nicht für die Polizei, nicht für den Verfassungsschutz und nicht für Kommentare in den sozialen Netzwerken.

Thomas sagt sogar: „Wir sehen Bil­dung und Er­zie­hung als Wert …“. Er weiß vielleicht noch nicht, dass davon die Ärmeren und Schwächeren vielfach ausgeschlossen sind, und wenn er sagt: „Wir leis­ten auch Hilfe, haben so­zia­le Si­che­rungs­sys­te­me“, vergisst er, dass eben diese Sicherungssysteme mehr und mehr versagen. Wenn Thomas über „das Be­kennt­nis zu den tiefs­ten Tie­fen un­se­rer Ge­schich­te“ schwurbelt, lässt er die Skandale um seine Geheimdienste aus, es reicht ja, denn „Wir sind Erben un­se­rer deut­schen Ge­schich­te.“ Thomas sagt aber auch: „Jeder Land­kreis ist stolz auf seine Mu­sik­schu­le.“ Wenn er eine hat. Er sagt nicht, dass Theater schließen müssen und die Förderung die Musikunterrichts mehr und mehr gekürzt wird. Hast Du Töne? Nein, denn „Wir haben ein ge­mein­sa­mes kol­lek­ti­ves Ge­dächt­nis für Orte und Er­in­ne­run­gen.“ Unter allen Daten, Orten und Ereignissen fehlt – nein, Fuß­ball, Kar­ne­val und Landsmannschaften sind dabei – es fehlt lediglich Auschwitz. Auschwitz ist in Polen. Thomas, runter mit Deiner Burka.

Auch Frankreich ist stolz. Macron mitgerechnet (24 %), versammelte des rechte Lager in Frankreich mit Fillon (20 %), Le Pen (21,3 %) und Dupont-Aignan mit (4,7 %) zwei Drittel der Stimmberechtigten ohne Schleier. Das ist eine Menge Holz in einer Demokratie, auch wenn’s alles andere als egal ist, wer den Wahlkampf finanzierte. Melenchon (19,6%) und Hamon (6,4%) und ein paar Splitter sammelten den Rest vom Fest für die Proletarier aller Länder. Mal sehen, was der Franzose bei den Parlamentswahlen im Juni daraus macht. „Wer sich seiner Leitkultur sicher ist, ist stark“, sagt unser Innenminister. Hoffentlich wissen die das nicht.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Leichen im Keller

Peter Grohmann

Der Franzose an sich liebt die Trikolore, egal, wer sie schwenkt, singt die Marseillaise und ruft mehrfach am Tage Liberté, Égalité, Fraternité – aber keine Angst, er meint’s nicht so. In diesen Tagen wird der ohne Partei marschierende Genosse Marcon als Sozialliberaler bejubelt und mit allerhand Vorschuss-Lorbeeren geschmückt: Der Retter Frankreichs könnte nebenbei partei- und gewaltfrei auch Europa retten, weil die anderen Schwadroneure vom Wähler getunkt wurden. Wir können wieder durchatmen, auch wenn die europäische Demokratie noch einige Leichen im Keller hat.

In einem Schlammloch in Matariya, einem der vielen Elendsviertel Kairos, stieß ein deutscher Archäologe auf eine Ramses-Statue: Der Jubel der armen Leute war unbeschreiblich. Diese Leiche war zwar in Stein gehauen und gut erhalten und in der guten alten Zeit hätte man das Machwerk ins Berliner Pergamon-Museum geschleppt – aber heute geht das nicht mehr. Da findet man ja sogar noch Raubkunst in den Asservaten-Kammern deutscher Kultur! Eben jetzt gibt es Krach um den Welfenschatz .1929 hatten jüdische Kunsthändler einen Teil der mittel-alterlichen Goldschmiedearbeiten erworben, mussten den Schatz aber 1935 wieder herausrücken und verkaufen – unter Wert, behaupten die jüdischen Nachfahren – weil sich die Verhältnisse geändert hatten. Nanana! Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz legt Wert darauf, dass solcher Handel damals OK war. Meine Omi Glimbzsch in Zittau würde sofort an ihre schrägen Cum/Ex-Geschäfte denken, die auch OK waren und in die gar öffentlich-rechtliche Sparkassen verwickelt sein könnten – sagt man! Ich denk‘ da eher an den Handel mit gemeinnützigem Wohnungseigentum, das unsere Kommunen aus Dummheit versilbern (auch legal), an fette Gewinne mit Schadstoff-Demissionen und an deutsche Elendsviertel an der B 27 und einen stinkenden Diesel (auch legal). Da wächst doch Moos drüber, mag sich der grünschimmernde Teil der Landesregierung sagen. Wenn Spritverbrauch und CO2-Ausstoss nicht von Kretschmann selbst, sondern auf der Straße gemessen werden, liegen die Werte halb legal, halb illegal 30-40 % überm krebsmäßig Erlaubten. Legal? Illegal? Scheißegal! Das haben wir in der vielzitierten guten alten Zeit gerufen. Und morgen fragen wir uns, ob wir die 5-Prozenzt-Hürde schaffen.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Polit-Propheten

Polit Propheten – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Der Türke an sich sieht sich den lieben langen Tag nur türkisch-stämmige Sender an – da kann ja nichts anderes rauskommen! Das ist etwa so, also würden wir, also die Deutschen an sich, ausschließlich die größte unabhängige Zeitung Baden-Württembergs lesen. Wie in den Hinterhof-Moscheen von Untertürkheim oder beim Segen auf dem Petersplatz sprengt die engen Spalten der Stuttgarter Zeitung ab und an auch ein Prophet. Die Ostermärsche hatten noch gar nicht begonnen, da zog das Blatt am Ostersamstag bereits Bilanz: „Fußlahme Ostermarschierer“. Die mangelnde Teilnahme läge auch daran, dass der „bunte Haufen von Altlinken und Dogmatikern dominiert“ werde. Und: Ein Bundesliga-Spiel mobilisiere mehr Menschen als alle Ostermärsche zusammen. Richtig. Aber in ein einziges Stadion passen ja auch alle Abonnenten der Zeitung gleich zweimal. Und an die guten Zeiten mit 96 Seiten am Wochenende und die Trennung von Nachricht, Kommentar und Hellseherei erinnert sich allenfalls meine Omi Glimbzsch in Zittau.

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Keine Politik bitte!

Keine Politik bitte! – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Nur einmal im Jahr bitte keine Politik, wenigstens zu Ostern, dem Fest des Friedens, uns, ja Ihnen, nicht irgendwas reindrücken wollen! Es muss doch bitte sehr auch beim Wettern der Woche möglich sein, auf diese impertinenten Moralduschen zu verzichten! Einmal, nur ein einziges Mal nur nichts von der Domina Germania oder Giftgas, Assad, Bo-Russen, Donald Trump, dem Hunger nach Gerechtigkeit. Diesmal nichts von Schulz, Merkel, Gabriel und dieser Frau von den Grünen, nichts zu Kapitalismus, Kannibalismus und Krise, Doping oder Dollars im Sport. Einmal im Jahr nichts zu Asylbetrügern, Flüchtenden aus dem Wartegau, Elend, Verfolgung, Mord und Totschlag, Kindersterben. Kein Wort diesmal über den Untergang des Abendlands, das Bienensterben, Monsanto & Co., Fessenheim, Nietzsche, das bedingungslose Grundeinkommen, Korruption, Ämterhäufung, Fake News oder Lügen-Presse! Schweigen über Maduro, Wölfe, Wölfle und Weihrauch zu Ostern! Schnauze bei Obdachlosen, Hungerleidern, Populisten, Pietisten, Parasiten, Paradiesvögeln. Klappe bei Erdogan, Orban, Jarosław Kaczyński, Osterhasen, Lastwagen, NSU, Antisemiten, besetzten Gebieten, Völkermord, Völkerball, Volksverdummung, Volksaufstand, Volksverhetzung, Volksfürsorge, Volksliedern, Volksempfinden oder Völlerei. Ohren zu bei Völker, hört die Signale! Stummes Schweigen über Diesel, Kretschmann, VW, Porsche, Daimler und die Ittacker, Null Wort zu Abgaswerten, Meinungsmanipulationen, Niedriglohn, Obergrenzen, Hartz IV, Hackerangriffen, Hühnerfleisch, Hannover 96, Brexit, Braunschiss, Bombenteppiche, Nervensägen und Nervengiften! Heute mal nichts zu Todesstrafe, Klimakrise, Mittelmeer. Und bitte auch nix zu Luther, würde meine Omi Glimbzsch in Zittau hinzufügen.

Fröhliche Ostern. Und falls Sie nichts anderes vorhaben, empfehle ich Ihnen die Teilnahme am Ostermarsch. Gut für die Osterbraten-Verdauung, kritische Debatten, neue Nachrichten, die zwischenmenschlichen Beziehungen und den Frieden.

Zum Kotzen, Herr Major!

Zum Kotzen, Herr Major! – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Meine Achillesferse ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Am Sonntag erregten mich öffentlich-rechtliche Filmszenen, bei denen einem Opfer mittels Gartenschere die Finger abgeschnitten wurden. Nicht besser war ein Tatort mit höchsten Quoten, bei dem der geistig benachteilige Mörder zuerst ausgewählte Opfer mit seinem Auto zweimal überfuhr und ihnen dann gewisse Körperteile herausschnitt: Auge um Auge, Zahn um Zahn, die Welt en gros und en détail, ganz wie sie ist. Keine Frage, dass auch ARD und ZDF zum Fest der Auferstehung von den Toten mit jeder Menge Mord und Totschlag locken – das ist verständlich, denn wer schaut sich schon eine plumpe Osterandacht an? Soweit zum Film.
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Schmähgesänge

Schmähgesänge – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Sieg oder Massenschlägerei“: Das ist ein beliebter Schmähgesang auf den unteren Rängen in den Stadien: Eine ganz klare Ansage, bei der große oder kleine Koationen nicht mithalten können. First we take Saarbrücken? Hat nicht geklappt. Die unteren und die oberen Ränge lieben Annegret Kramp-Karrenbauer – quer durch alle politischen Farben. Mist. Mit den Arbeitslosen allein, die zu 30 % dunkelrot wählten, ist ja auch kaum Staat zu machen. Aber auch wenn selbst die Gebildeten mehr gut finden als Oskar oder Martin, bleibt then we take Berlin natürlich eine Option. Aber wie bei den Schmähgesängen braucht es klare Fronten – „Hoch die internationale Solidarität“ ist eben einfach zu wenig. In den letzten Tagen gingen, von den Leitmedien wenig beachtet, Türken und Kurden gemeinsam auf die Gass‘. Viele waren es nicht (aber das bleibt unter uns!). Wie in Saarbrücken waren die Hochrechnungen der Nein-Gemeinde utopisch und lassen ahnen: Erstes kommt es anders, zweitens als man denkt. Mit der Solidarität der biodeutschen Genossen war’s auch nicht weit her, und so blieben die Trommeln für’s Hayır, für’s Nein, eher leise. Öffentlich sichtbar waren am letzten Wochenende in Stuttgart vor allem die Kohorten der Polizei – Äffle und Pferdle, Tränengas und Knüppel als Drohkulisse: Haltet Euch fern von den Rettern der Demokratie, war die Botschaft.

Die Neffen des Sultans, Freiwillige aus Konsulaten, AKP und türkischem Verfassungsschutz, waren umso eifriger, Kopf und Kragen der Demo-Teilnehmer im Bild festzuhalten: Das wird man alles noch brauchen können. Mit von der unangenehmen Partie natürlich auch die Polizei: Sie sei beauftragt, die Hassgesänge zu dokumentieren, sagten die Videofilmer. „Erdogan – Terrorist“ und „Bei jeder Schweinerei ist die BRD dabei“ war das Schärfste aller Lieder – da hätte selbszt meine Omi Glimbzsch aus Zittau mitgesungen, von mir ganz zu schweigen.

„Wir ziehen los, mit Messern und mit Ketten! – Wir machen aus den Haien Fischkroketten“ oder „Lasst uns schlachten einen Sachsen – weil die Viecher so schnell wachsen“ oder „Wen wollen wir lynchen? Bayern München!“ gehören übrigens zu beliebtesten Schmähgesängen bei großen Sportereignissen. Die sind aber so wenig ernst gemeint wie die internationale Solidarität.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Meckerärsche, die Augen rechts!

Meckerärsche, die Augen rechts! – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Wahlen sind nicht immer schön. Nehmen wir Schulz. Das Überspringen der 100-Prozent-Hürde zeigt, dass Martin selbst von sich selbst überzeugt ist. Das ist viel in Zeiten des Zweifels. In den Nederlanden hingegen hat dieser Geert Wilder haushoch verloren – und 5 Sitze dazu gewonnen. Wunder gibt es immer wieder, erst recht im Land der flachen Hierarchien, wo sich die rechte Elite weiter konsolidiert hat. Hetze und Rassismus haben das politische System längst durchdrungen. Der umjubelte Wahlgewinner Mark Rutte (VVD) meint ja seit jeher, dass MigrantInnen nach Hause gehen sollten, ohne Tschüs und ohne Wenn und Aber, wenn sie sich nicht normal verhalten könnten. Was ist schon normal in diesen Zeiten, und was ist zu Hause? Sind’s die Hunger-Regionen Afrikas?
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Lug & Trug & Hayır!

Lug & Trug & Hayır! – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Einer der ganz Großen der Autohersteller hat zugegeben – nein, nicht bei uns, sondern jenseits der großen Wasser – was fast alle längst wussten: Lug & Trug. Gelesen liest’s sich denn doch saftiger: Die Diesel-Skandal-Firma hat sich in den USA in allen drei Anklagepunkten schuldig bekannt: der Verschwörung zum Betrug, der Behinderung der Justiz und dem Verkauf von Waren unter falschen Angaben. Na gut, das ist hierzulande weitgehend handelsüblich. Dass ein paar Verschwörer, Betrüger und Lügner, verfolgt von der Gerechtigkeit, erwischt worden sind, lässt hoffen. Und wer ist bei uns schneller. Alles Peanuts, würde da die Deutsche Bank sagen – der Steuerzahler steckt die 4,3 Milliarden Dollar doch mit links weg, samt der ganzen Gerechtigkeit. mehr…

Rübe runter!

Rübe runter! – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Der Türke an sich gilt als sauber, menschlich und ist zudem als angenehmer Gastgeber beliebt. Er ist belesen, fleißig und kinderfreundlich, heimatlieb, humorvoll und häufig weltoffen – nehmen wir als positives Beispiel nur Deniz Yücel. All diese Attribute kann man dem Deutschen an sich auch zubilligen – ich nenne nur Deniz Yücel. Türken und Deutsche haben aber noch mehr Gemeinsamkeiten. Fast jeder dritte Deutsche wünscht sich einen starken Führer – in der Türkei ist es jeder zweite, und rund ein Viertel der Deutschen würde gern ein Zuwanderungsverbot für Muslime festschreiben. Auch jeder dritte Türke will keine christlichen Nachbar haben, nicht einmal atheistische oder jüdische. Letzteres deckt sich mit den Erkenntnissen über die Wünsche von uns Deutschen.   mehr…

Gequirlte Scheiße

Gequirlte Scheiße – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Ja, ich weiß, das ist eine primitive Überschrift, aber erstens ist sie hipp und zweitens dem Echo auf das „Wettern“ geschuldet. Viele Menschen haben leider nur mich zum Abkotzen: Für die einen bin ich das ZK der SED, für andere „bestenfalls ein Blindgänger“, für Dritte nur ein Arschgesicht – was ich am ehesten nachvollziehen kann, wenn ich aus dem Feinstaubloch nach Hause komme und mich im Spiegel sehe. „Das Böse ist verdammt gut drauf“, würde mich meine Omi Glimbzsch in Zittau trösten. mehr…

Klappe zu, Affe tot

Klappe zu, Affe tot – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Noch einen Tick mehr in Sachen nationale Sicherheit, Flüchtlingslager in Afrika und soziale Gerechtigkeit, und der nächste Kanzler steht: Martin Merkel – oder eben Angela Schulz. Links, wo das Herz schlägt, ist tote Hose, und das einzige, was meiner Omi Glimbzsch in Zittau über die Jahre und die Wende half, war Klosterfrau Melissengeist aus dem Westen und später Sozialhilfe, also Hartz IV.

Ich bin nicht länger bereit, meine Intelligenz im Zaum zu halten, meinte neulich einer von der Dortmunder Südtribüne. Dem kann ich mich nur anschließen. Mit „Bullen schlachten“ war nämlich nicht die Polizei gemeint, sondern RB Leipzig. Und der öffentliche Aufruf in deutschen Stadien zum Beispiel zum Pflastersteinwurf gilt ja nicht dem einzelnen Ossi, sondern schlicht allen. Nachvollziehbarer ist schließlich auch der Aufschrei „Verpisst euch, ihr Kommerzschweine“, denn da können, bei Inanspruchnahme der Intelligenz, nur alle gemeint sein, die was mit Fußball, Fifa oder Red Bull zu tun haben.

Dass Gewalt keine Probleme löst, ist so sicher auch wieder nicht, sonst wäre ja jeder Krieg überflüssig. Das wissen auch die USA, wenn sie mal eben weitere 1000 Soldaten an die Ostfront verlegen. Klar, ich weiß: Damit kommt man nicht weit, und da sollte man schon noch eine Schippe drauflegen. In unserem Fall wären das Pi mal Daumen zusätzliche 20 Milliarden Euro aus unseren Kassen für Rüstung. Also statt etwa 40 demnächst 60 Milliarden. Jedes Jahr. So haben wir’s beschlossen, und die Rüstungsindustrie freut sich, denn der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen.

Ist das mit der Rüstung vielleicht gar nicht so gemeint? Bin ich vielleicht wieder auf eine Fake-News hereingefallen sein? Wie neulich, als ich die Nachricht verbreitet habe, dass im Falle NSU erst sieben Zeugen tot sind? Vielleicht waren es auch sechs oder zehn? Liegt die Wahrheit in der Mitte, also bei fünf? Eben hat ein Gericht den Bundestag verpflichtet, eine Masse von Dokumenten über Parteispenden herauszurücken. Zugegeben, das ist unangenehm, und die guten Parteien sind auch dagegen. Nur „Russia Today“ jubelt. Merke: Zuviel Wahrheit hilft immer der anderen Seite.

Wie immer auch eine gute Nachricht: Bei einer Großdemo in Barcelona haben 160 000 Menschen ihre Regierung zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen aus Kriegsgebieten aufgerufen. Die Polizei sprach von 160 000, die Veranstalter von einer halben Million Menschen. Was ist nun Fake?

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Schlagstock & Stimmvieh

Schlagstock & Stimmvieh – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Nein, Pech gehabt! Er heißt nicht Engelbert. Alles wird gut. Aber ich habe bis zur letzten Minute gezittert! Genau wie am vergangenen Donnerstag, als die Stuttgarter Nachrichten mit Großsprech den Trump-Berater Dr. Gorka ankündigten, der die aktuellen Publikumsängste in Richtung Terrorangst bedienen sollte. Doch Gorka (Breitbart-News) blieb zu Hause in den USA und skipte nur in Richtung Stuttgart: „Weiter so! Aber mehr Geld und mehr Waffen!“ Damit kann man ja schon mal allerhand anfangen, gelle?

Ein guter Freund warnte mich vorab vor Angriffen auf die Hort-Vollje und die Aufklärungsorgie meiner Heimatzeitung: Solches „Wettern der Woche“ (vgl. kontext 306) könnte Rechtsanwälte nach sich ziehen, weil es den Nachrichten-Ruf schände. Das war gewissermaßen ein Wink mit dem Schlagstocke, sagte meine Omi Glimbzsch bei solchen Gelegenheiten. Aber noch ist Zittau nicht verloren, und Zürich auch nicht. Das Stimmvolk der Schweiz (rechtspopulistisch etwa: Stimmvieh) stimmte unerwartet mit +/- 60 % gegen die Populisten der SVP und für eine leichtere Einbürgerung der Enkel der Enkel der Enkel. Passt. Und merci vielmals. mehr…

Faschisten-Sahne und Breitbart-Boys

Faschisten Sahne und Breitbart Boys – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Kein Mensch glaubt, dass Donald Trump den Finger am Drücker der Atombombe hat – und wenn, dass er niemals abdrücken würde – und wenn, dann nur einmal. Derlei Horrorszenarien sind gut für Omas Kino: Schafft es James Bond, die Welt zu retten?

Das soll uns, wenn’s nicht junge Hunde regnet, Dr. Sebastian Gorka erklären. Sein kometenhafter Aufstieg führte ihn über die Führungsetagen von Breitbart-News jetzt direkt auf den Schoß von Donald Trump. Breitband-News läuft und lässt laufen: Das rechtspopulistische, rechtsextreme Meinungsnetzwerk, das noch vor den Wahlen, also jetzt, 2017, nach Deutschland und Frankreich expandieren will, dürfte die Wählenden direkt in die Arme der AfD, von Le Pen & Co. treiben. Ein Geschäft auf Gegenseitigkeit unter den Rechten. Was viele nicht wissen: Gründungsvater Breitbart erläuterte schon 2005 sein Ziel, die „alte Medienlandschaft zu zerstören“. Also doch junge Hunde – und Krieg gegen die freie Presse, weltweit.

Dr. Sebastian Gorka, angeblich auch Ratgeber von Ungarns Premier Orban, ist jetzt Gast der Stuttgarter Nachrichten. Der US-Experte ist Deputy Assistant to the 45th American President D. Trump, Irregular Warfare Strategist und kommt am 09. Februar in die Stuttgarter Liederhalle – mit dem Segen von Steven Bannon, dem rechts-nationalistischen Berater Trumps. „Wirklich allererste Faschistensahne“, würde meine Omi Glimbzsch in Zittau sagen und auf die unabhängige, freie und demokratische Presse und ihre Öffentlichkeit bauen, auch wenn da manches, wie wir sehen, auf Sand gebaut ist. Am 09.02. schwebt die Frage im Raum: „Terrorismus bekämpfen und Freiheit bewahren – wie geht das?“ Gorka weiß es: alte Medienlandschaft zerstören. Macht kaputt, was Euch kaputt macht? Ob es die Faschingsprinzen am Katzentisch im Mozartsaal, Innenminister Thomas Strobl und Dr. Christoph Reisinger, Chefredakteur der Nachrichten, auch wissen?

Breitbart-News haben sich auf die Herstellung von Fake-News spezialisiert. Da schaun wir doch mal, wie lange die Kollegen noch durchhalten. Bei der FAZ (30.10.16) weiß man: „… Breitbart gilt als Meister der Fake News, denen Menschen glauben und so verleitet werden, das Kreuz an der falschen Stelle zu machen.

Also FAZ lesen. Und Kontext groß machen.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Ghetto-Rentner – preiswert verscheißert

Ghetto Rentner - preiswert verscheissert – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Eben wurde zum Holocaust-Gedenktag 2017 betont, wie schlimm alles war – und wie gut wir sind im Bewältigen des Vergangenen. Deutschland first. Von uns können sich alle anderen Staaten ein paar Scheiben abschneiden! Ghettos, Mauern, Folter; manche leiden heute noch an den Folgen, Folterer wie Mauerbauer. Das kann man erst vergessen, wenn man richtig tot ist, wie die Ghetto-Rentner.

Klar, bei der Menge des zu bewältigenden Stoffes geht mal dies oder jenes unter – etwa die Opfer der „Euthanasie“ („Euthanasie“ darf man ja nicht sagen, weil es falsch interpretiert werden kann). Aber mal egal: Am 27. Januar 2017 – also kurz nach dem Ende der unseligen NS-Zeit – hat der Bundestag erstmals (!) die „Euthanasie“-Verbrechen in den Mittelpunkt seines Gedenkens gestellt. Und nicht zu vergessen: Schon nach etwas mehr als 80 Jahren – 2007 – wurde das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ durch den Bundestag geächtet, Zwangssterilisierte und „Euthanasie“-Geschädigte gesellschaftlich rehabilitiert. Für die Opfer hatte diese Ächtung allerdings keine monetären Folgen. Da hilft kein Zetern und kein Klagen, würde meine Omi Glimbzsch in Zittau dazu sagen.

Manchmal doch! Bei den Ghettorenten etwa. Ghettorente bekommt, wer im Ghetto wenigstens fünf Jahre lang gearbeitet hat. Wenn ein Ghetto nur drei Jahre lang auf hatte, gibt’s natürlich nichts. Und Kinder gehen generell leer aus, a) weil Kinderarbeit generell verboten ist und b) weil Rentenansprüche erst ab 14 Jahren gestellt werden können. Natürlich haben Kinder unter 14 in den Ghettos dennoch gearbeitet – aber nur, um zu überleben. Manche sind einfach abgehauen und haben sich die für die Wiedergutmachung notwendigen Papiere vor der Flucht nicht aushändigen lassen, andere haben nach der Niederlage den Stichtag für die Antragstellung verpasst, wieder andere kamen mit dem Papierkram nicht zurecht. In einigen Fällen half der Essener Sozialrichter Jan-Robert von Renesse, bis er von seiner Behörde eins auf den Deckel bekam, weil er quasi Deutschland schlecht gemacht hatte.

Momentan gibt’s noch rund 2000 Menschen, die sehr betroffen sind, vor allem in Israel und Polen. Mit ihrem Tod kann gerechnet werden. Und übrigens: In Stuttgart gab’s gar kein kein Ghetto, aber eine Tötungsanstalt, damals. Wer hört das schon gern!? Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart, wie der Pole gern sagt.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Die Barrikaden-Ladys

Die Barrikaden Ladys – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

Seit heute weiß man: Hätte Hillery Bernie nicht gemobbt, wäre Sanders jetzt ganz oben und Donald ganz unten. „Futschikato!“ sagte in solchen Fällen meine Omi Glimbzsch in Zittau. Aber wie es jetzt ist, hält Trump dagegen, ist es Gottes Wille, was beide auch nicht sympathischer macht.

Die Armen, die Protestwähler, die Zukurzgekommenen rund um den Erdball sehnen sich in der Regel nach einem starken Arm, einem starken Mann, der mal so richtig durchgreift und Ordnung in die Welt bringt, der Frauen auf den Arsch klatscht, Menschen mit Handicap diffamiert und den Ausgegrenzten Hoffnung vermittelt: Amerika zuerst. So wie bei uns um die Ecke Hartz IV die künftigen Stammwähler der AfD produziert, stärkt der Flegel jenseits des Atlantiks den Mut zum Ungehorsam. This land is my land!

Während die Männer ihre Tage hatten, haben die Frauen Kreuzungen blockiert, Züge gekapert, die Flugzeuge, die Fernstraßen. Während die Analysten noch nach manipulierbaren Wahlmaschinen suchten, haben von Kalifornien bis New York Island, von Seattle über Oakland, von St. Louis am Mississippi bis zu den Rocky Mountains in Denver die Frauen eines liberalen Amerikas Straßen und Plätze besetzt. Die neue Bürgerinnenbewegung, die nicht aus der Nacht kam, hat uns verblüfft und lässt uns aufatmen.

Donald ist für jede Überraschung gut. Die Frauen auch. Sie erzählen eine neue Geschichte, eine voller Empathie, eine, die wir kennen müssten, aber vergessen haben. Es ist die Geschichte des Miteinanders, der Solidarität, bitte, wenn Sie wollen, der Nächstenliebe.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Diese alte Geschichte ist verbunden mit dem genauen Blick auf gesellschaftliche Zustände: Nachdenken statt Besserwissen, mit der Fähigkeit zum Streit, zur produktiven Unruhe. Wir brauchen mehr Ausdauer und Geduld beim Unterwegssein, den Blick in die Nachbarschaften, den Blick ins Kleine nebenan – den Blick hinter die Kulissen und den Blick in die Weite, zu den Frauen Amerikas. Es ist ja nicht die Welt neu zu erfinden, aber wir können die Welt auseinandernehmen und neu zusammensetzen. Eine große Collage, wir schaffen das, mit den Barrikaden-Ladys.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Blut am Stecken

Blut am Stecken – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

„Euch wird noch Hören und Sehen vergehen“, weissagte kürzlich Donald Trump, natürlich auf englisch. Er will auch als Präsident unberechenbar wie eine Blackbox bleiben: Niemand weiß, was drin ist. Das ist wie bei der NPD, wo die Blackbox eine Braunbox ist. Halt, nicht klatschen! Die Hälfte der NPD-Funktionäre steht ja im Sold unseres Verfassungsschutzes, weissage ich jetzt mal. Deshalb kann man auch keine Butter bei die Fische geben, wo es um ein Verbot der NPD geht. Warum? Weil der Staat da gegen sich selbst aussagen müsste.

Wenn’s gut geht mit unserer Verfassung und ihrem Schutz, steht so manchen staatlichen Behörden und Würdenträgern nun weiteres Ungemach bevor – auch wenn sie noch so skandalfest sind. Zwar kann der Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri nicht mehr aussagen, aber offenbar haben diverse staatliche Behörden eine Menge Blut am Stecken. Das erinnert nicht nur ans Oktoberfest-Attentat 1980, sondern auch an die Grau- und Braunschleier bei den Morden des NSU. Das vorläufige Bild um Fall Amri: Der landete deshalb nicht im Knast, weil ihn der Verfassungsschutz noch brauchte: Abschöpfen. Daher konnte er – erkannt und ungestraft – mit Drogen dealen, Sozialämter betrügen, mit Anschlagideen prahlen und sich im Waffenhandel kundig machen. Man brauchte den Mann noch – die konkreten Warnungen aus Nordafrika an BKA und BND fielen unter den Tisch. Zu fragen ist: Wie haben Sicherheitsbehörden, Verfassungsschutz, Staatsanwaltschaften und Justiz reagiert? Und für alle Fälle: Welche politischen Konsequenzen für eine rechtsstaatliche Demokratie, für die Bürgerrechte hat das alles?

Vor ein paar Tagen marschierten 150 komplett vermummte Nazis unbehelligt durch die Innenstadt von Cottbus. Natürlich wussten das die Behörden, ihre Leute waren mittenmang. Aber wer will schon gern den Cottbusser Postkutschfahrern der Polizei, die sich blutige Nasen geholt hätte, das Wochenende verhageln?

Auf den deutschen Herbst folgt der deutsche Winter. Die Spitzen der Eisberge sind da nur schwer auszumachen. Sie heißen Polizei, BKA, LKA, BND, MAD, Verfassungsschutz, NSA, CIA. Selbst erfahrene Parlamentarier mit Fielmann-Brille beißen auf Granit, wenn sie kluge Fragen stellen. Das Vorhängeschloss der Demokratie ist die Information, klarer Verstand, Vertrauen – und Empathie.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Stinkbomben

Hundert Mann – und ein Befehl.
Und ein Weg, den keiner will.
Tagein – tagaus. Wer weiß wohin?
Verbranntes Land. Was ist der Sinn?“

(Freddy Quinn 1963)

Die Politik beugt Gesetze und die Bevölkerung orientiert sich an selbst gestrickten Vorstellungen von Gerechtigkeit, so sinngemäß Jens Gnisa, Chef des Deutschen Richterbunds – und sieht schwarz für die deutsche Justiz. Also noch schwärzer. Klar, erste Duftmarken im eben ausgerufenen Wahlkampf können heute offenbar nur Stinkbomben sein. Und die erwecken den fatalen Eindruck, dass der Rechtsstaat den Gefahren des Terrorismus relativ hilflos gegenüber steht. Dieser parteiübergreifende Aktionismus von Schwarzgrün bis Rotrotgelb ist das Gegenteil einer besonnenen Sicherheitspolitik – und die wäre jetzt doch viel eher gefragt. So betrachtet, ist Richter Gnisa ein Gefährder: Aber wohin abschieben? Es reicht, sagt er, und meint damit die in den letzten Jahren vielfach verschärften Vorschriften, Gesetze und Befugnisse, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen. Vielleicht sollte man den Mann abhören respektive ihm zuhören.

Politik ist allerdings kein Gesangverein Harmonie in Pliezhausen. Freddy Quinn hat das bereits 1963 erkannt, im Blick die deutschen Kameraden in der Fremdenlegion. Heute schickt unsereins frische Truppen an die Ostfront 4000 Mann und ihre Frauen. Wir haben eben keine bessere Antwort auf den Hacker Wladimir Putin und seine Chargen, es sei denn, wir spritzen den alten Propagandasender Radio Freies Europa – Radio Liberty mit neuen Drogen. Der Sender steht in Kürze Donald Trump zur Verfügung und hat zu allen Zeiten immer nur ein Ziel: Den Hörerinnen und Hörern in den ehemals kommunistisch unterdrückten Ländern wie beispielsweise Russland, Polen, Ungarn oder die Ostzone demokratische Werte zu vermitteln und den rechten Weg zu zeigen. Und zwotens, wohl im Hinblick auf die Konzentration der Medien in immer weniger Händen, das gemeine Menschenrecht auf freien Nachrichtenzugang möglich zu machen zur Abwehr der besonderen Demokratiegefährder.

Trösten wir uns. In 347 Tagen ist Weihachten, und am 11. Januar 2017 feiern wir den „Tag des Deutschen Apfels“. Sauer macht lustig, pflegte meine Omi Glimbzsch in Zittau zu sagen, wenn ich das Maul verzog.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Sesselfurzer und Muslime

Sesselfurzer und Muslime

Die hochgerüstete Polizei hat nicht nur in Köln uns guten Weißen eine geruhsame Silvesternacht im Kreis unserer Liebsten beschert: Alkohol, Feuerzauber und Feinstaub wie immer, gute Laune und wenig Afrika. Danke. Das erinnert an eine Plakat-Collage aus den Sechzigern: Auf dem originalen Foto ziert das Schild „Nur für Deutsche“ eine Parkbank. Darunter hatte der Künstler das Logo der Deutschen Bank gesetzt. Für den Drucker hatte das unangenehme Folgen, weil den Staatsanwalt weder der Artikel 5/I (die Sache mit der Meinungsfreiheit) noch der Absatz III (die Behauptung mit der Kunstfreiheit) interessierte. Das Plakat konnte nur heimlich gedruckt und weitervertrieben werden: Also doch keine Zensur.

Nun kann man den Achtundsechzigern vorwerfen, was man will – dass sie gute Europäerinnen waren, Internationalisten gar, Fluchthelfer, Kritiker der DDR, Freunde der radikalen Demokratie, Trotzkisten oder Sozialdemokraten – aber nicht, dass sie besonders viel erreicht haben. Die Fraktion der Sesselfurzer ist längst die größte geworden. Sie sitzt überall quengelnd und quälend herum und ist keineswegs auf Parlamente beschränkt. Sie furzt in Bürgerinitiativen, Redaktionen, Amtsstuben oder kulturell: Natürlich politisch korrekt. In den letzten Tagen des alten Jahres etwa machte sich ein Herr Conz von der Stuttgarter FDP bei den Muslimen bekannt. Der liberale Feuerschlucker verbreitete als Offerte an die Terroristen von morgen auf Facebook ein Foto, das einen Moslem in einem öffentlichen Verkehrsmittel beim Gebet auf seinem Gebetsteppich zeigt. Sein Kommentar zum Foto: „kick him“ (das soll angeblich heißen: Tritt ihn den Arsch, aber richtig!). Von Gewalt gegen Muslime ist also weit und breit nichts zu sehen – und das sieht auch der hiesige Staatsanwalt Kraft so. Er weigerte sich, nach einer Anzeige von unsereins wegen öffentlicher Aufforderung zu Gewalt oder Volksverhetzung u.a.m., zu ermitteln (7 Js 118235/16). Echte Muslime, schrieb der ungläubige Staatstragende, würden so was eh‘ nicht machen. Auch sei ja wohl kaum damit zu rechnen, schloss er sinngemäß, dass der Andersbetende je in Stuttgart Busse und Bahnen nutzen und Fahrgäste segnen würde.

„Nu, warum denn gleich mit der juristischen Keule winken?“, tät‘ meine Omi Glimbzsch aus Zittau rufen. „Hamwa nich andre Sorgen?“ Hamwa, Omi, hamwa! Aber wir haben doch auch versprochen, im Kleinen zu beginnen, Widerspruch einzulegen, das Maul aufzumachen und die Sessel zu lüften, 2017. Glückauf dabei!

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Unglaublich …

Unglaublich … – Peter Grohmanns "Wettern der Woche"

… aber eben nicht postfaktisch! Doch was für ein Glück. Wie gern würde ich heute sagen, wie viel ich Lotto gewonnen habe und was ich mit dem Geld alles machen werde! Abgesehen von solchen Lappalien wie Haus und Hof mit neuem Sicherheitskonzept, Geld für die Kinder, auch etwas für sehr gute Freunde, von denen man plötzlich ganz viele hat: Ich denke an einen neuen Wagen! Favorit momentan: Der Tesla Combi, Erdgas. Eine größere Summe bekommen Kontext und die AnStifter, eine dicke Spende geht an Wikipedia. Postfaktische Politik ist exakt jenes politische Denken und Handeln, bei dem Fakten nicht im Mittelpunkt stehen und Geld keine Rolle spielen darf.

Anders gesagt: Nach den Möglichkeiten handeln, aber nicht ohne Sinn und Verstand, logisch. Ich denk‘ manchmal: Manche denken einfach zuviel und kommen so ein Leben lang nicht in der Gänge. Aber wo dem Wort nicht die Tat folgt, wo der Überschuss an Worten so zunimmt, dass sie zu hohlen Sprüchen werden, läuft irgendwas verkehrt. Manchen ist das vielleicht zu abstrakt, zu ‚evangelisch‘. Und wir alle haben uns ja längst ein Stückweit an die hohlen Sprüche gewöhnt, mit denen wir gerade in diesen Tagen unberufen traktiert werden.

Im Neuen Jahr würde ich unsereins gern öfters auf den Straßen und Plätzen treffen, als Förderer, Abonnenten eines kritischen Journalismus, als querdenkende Diskussionsteilnehmer, als Wort- und Feuermelder, wo doch so viel gezündelt wird, als Musikanten und Demonstrantinnen auf den Marktplätzen, vor den Waffenfabriken und Kasernentoren, als Kandidatinnen auf parteifreien und parteiischen Wahllisten, als engagierte Genossen in Genossenschaften, als Initiatoren von Bürgerinteressen, Leserbriefschreiber, als Ideengeberinnen für politische Praxis, als Leute, die auch mal Fünfe gerade sein lassen, als Mitstreiter, die sich irren können, als Zeitgenossen, die nicht vergessen, dass wir etwas Älteren den etwas Jüngeren eine Erbschaft von über zwei Billionen Euro Schulden hinterlassen, was die leider nicht ausschlagen können, als Produzentinnen für eine bessere Welt, als Menschen, als Leute, denen auch mal der Kragen platzt, die wütend, zornig, sauer werden können, die Spaß am Leben haben und gemeinsam dafür sorgen, dass es so bleibt. Es muss Freude machen,sonst klappt es nicht. Darauf verwette ich meinen Gewinn.

*) Peter Grohmann ist Kabarettist und Initiator des Bürgerprojekts Die AnStifter