Archiv der Kategorie: Wettern der Woche

Peter Grohmann schreibt und spricht das Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext.

Das Wettern der Woche
Mit Kippa? Nur nachts.

Erstens: Es dürfe niemals sein, dass Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens in Deutschland in Angst und Schrecken leben müssten, sagte Olaf Scholz eben.
Zweitens: Ich würde keinem Menschen raten, mit einer Kippa auf dem Kopf durch die Stadt zu gehen, sagte ich ihm. Allenfalls nachts, sage ich heute.

Es war mir immer ein Vergnügen, morgens aufzustehen, gegen halber Siebene. In jüngster Zeit möchte ich am liebsten die Bettdecke über mir zusammenziehen – aber ich kann nicht mehr schlafen, weil ich nicht weiß, ob der Krieg über Nacht gewachsen ist. Ich tröste mich über die nächste Viertelstunde: Wenn er ganz groß geworden wär‘, würde ja jemand anrufen, es lange klingeln lassen wie der Rüdiger und dann sagen: „Peter, man müßte was machen!“ Man bin immer ich. Bis mir plötzlich klar wird: In Israel ist es jetzt ja alles später, viel später, manches zu spät – und in Gaza noch viel später als im Libanon….

50 Millionen Tonnen Schutt müssen später mal weggeräumt werden, wenn der Krieg keine Luft mehr kriegt. Der Schutt – das wird nochmal ein ganz, ganz großer Geschäftszweig!
Schlagen die Nachts zurück? Haben sie schon? Ist es ein Erstschlag oder bloß Vergeltung oder was ganz Neues? Dann hau‘ ich mir an den Kopp: Junge, sag‘ ich mir, jetzt haste die Ukraine vergessen! Wenn’s doch nur die wäre! Da kommt ja noch der Jemen dazu und der Kongo! Oder ist es Kenia? Nein, Mali. Der Sudan? Vergiss Syrien nicht, Alter, und die Uiguren. Wieso Uiguren, frage ich mich, da ist doch gar kein Krieg. Afghanistan? OK, das haben wir ja befriedet. Jetzt sitzt auch Deutschland mit im Schlauchboot.

Es ist nicht mehr schön, morgens aufzustehen, zu frühstücken und die Zeitung zu lesen. Das Vergnügen, wär’s denn eins, wäre ja eh‘ sehr kurz – die Presse wird immer dünner. Das meiste fehlt, auch an Seitenhieben. Jetzt kann dich nur noch das Netz auffangen, doch du weißt: Jede Zweite liest täglich Zeitung, wird von der Anzeigenabteilung behauptet. Aber es hilft nichts. Die Tageszeitungen erreichten knapp 50 % der über 14-Jährigen – incl. der Analphabeten. Und wen erreichen wir? Und wann? Und mit was?

Viele Neurobiologen und -psychologen wissen: Die Digitalisierung und der Wandel der Medienlandschaft machen unsere IQ-Werte deutlich dünner. Steigende Bildschirmzeiten, ständige Erreichbarkeit – das schlägt auf den Geist, macht aggressiver und letztlich dümmer. Ich hab’s ja geahnt: Das Gehirn ist schlicht überfordert. Meins auch.

Peter Grohmann’s „Wettern der Woche“

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter. Im Theaterhaus mit dem Leonard-Cohen-Projekt am 29.10.2024.

Das Wettern der Woche
Vorsicht, Braunfäule!

„So eine Scheiße – Braunfäule!“ Meine Omi Glimbzsch in Zittau ist erschüttert. „Klimawandel“, nickt sie nachdenklich ihren Worten hinterher und ergänzt resigniert: „Zu viele Niederschläge!. Nu jaja, nu nene!“

Phytophthora infestans! Damals, ich hab’s selber augenäugig gesehen, waren ihre Tomaten eine Wucht! Kräftige grüne Blätter – und kräftige rote Früchte. Das Rot der Tomate dient dem Selbstschutz und hatte einst deutlich mehr als heute Signalwirkung. „Heute haste ja Domaadn in allen Schaddierungen und Foorben“, weiß die Omi Glimbzsch.

Ja, der Pilz! Er macht jedem gegenderten Tomatenfreund einen dicken Strich durch die Rechnung. Kraut- und Braunfäule, und das jetzt Jahr um Jahr mehr und auch noch am häufigsten in der Vielfalt des freien Landes! So viele sonnige Plätze, die Schutz vor der Braunfäule bieten könnten, gibt’s doch fast nirgends mehr.

Wenn Pflanzen nicht richtig wachsen wollen, wenn die Blüte ausbleibt, die Ernte mager ausfällt und sich Krankheiten und Schädlinge breit machen, liegt es häufig an einem müden Boden. Bei den Tomaten heißt es nun, rechtzeitig auszugeizen, damit die Pflanze gut durchlüftet wird. Bei Braunfäule-Befall gilt es, schnell zu handeln – die braunen Blätter sorgsam entfernen und in die Hausmüll-Tonne. „Und denk‘ dran: Alte Sorten sind meistens robuster und widerstandsfähiger. Außerdem schmecken sie besser als diese hochgezüchteten Sorten, woste noch jede Menge Chemie brauchst!“ Abwechslung im Beet hält die Pflanzen gesund und stark.

Und nun das Endergebnis: SPD vor AfD, BSW vor CDU – Grüne, Linke und Freie Wähler sind raus. Und ein Viertel der Wahlberechtigten hat verschlafen. Im Spree-Neiße-Kreis erzielten die Braunfäuligen 46,5 %, was aber nichts heißen mag – Infektionsgefahr! Denn die Sporen der Braunfäule halten auch harte Winter aus und werden durch Dummheit, Ignoranz, TikTok und Co. auf viele andere Arten verbreitet. Hier sind besonders die jungen Pflanzen gefährdet.

Also Mischkultur. Gemeinsam wächst sich’s besser.

Mensch! Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Demokratie-Kongress am 3.10. in Stuttgart

Das Wettern der Woche
Wasser bis zum Hals

„Darum wird der Herr die vielen Wasser des Stroms über sie kommen lassen. Der Strom wird alle seine Kanäle überfluten und über alle seine Ufer treten und er wird einbrechen in Juda und es überschwemmen und überfluten, bis er den Menschen an den Hals reicht“, drohte Jesaja. Wer hätte gedacht, dass der Prophet auch uns meinte?

Gegen alle Verwässerer der Welt können wir vom vermeintlich sicheren Ufer aus am 20. September 2024 mit den Jüngern von Friday for Future gegen den Strom der Zeit schwimmen und Rettungsringe mitbringen wie diesen:

Am Grunde der Moldau wandern die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine.
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag …

Und was ist mit dem Tag nach Brandenburgs Brandmauern? Auch die Ufer der Havel sind sich längst nicht mehr sicher vorm braunen Abwasser. Die Wahlämter rechnen am Sonntag mit stark steigenden Pegeln: Ob die Schutzmassnahmen ausreichen? Die schmerzfreie Bewältigung unserer Probleme ist eine Erfindung aus Merkels Zeiten – es war allzu bequem, aber letztlich eine dumme Ampelei, die haltlosen Versprechen geprüft und wider besseres Wissen weiterzugeben, Hauptsache Ruhe im Karton. Jetzt weiss man: Ene, mene Miste – es rappelt in der Kiste! Wer will schon das Gerede von der Krise (Klima, Kirche, Krieg), die von den Medienkanzeln verkündeten Krisenszenarien hören oder glauben? Die enthaltenen Botschaften werden schlicht aggressiv abgelehnt: Die Alternative triumphiert über alle Erfahrungen, alles Wissen – und unsere Eliten flüchten sich vor Schreck in die rechten Ecken. Verdammt nochmal – da ist ja schon das meiste besetzt!

Wissen was war, wissen, was wahr ist, das ist anstrengend, kostet Zeit und Geld, braucht Bildung und Geduld und Hilfe, auch von den Medien, die um ihre Unabhängigkeit fürchten. Wer unbequeme Wahrheiten nicht scheut wie etwa das Recherchenetzwerk Correctiv, wird über Nacht zur Zielscheibe von Klimaleugnern und den Mätressen der AfD. Wir wissen längst, wie sich unser Leben durch eine erhitzte Erde verändert, wie klimagerechter Wandel gelingen kann, wir wissen, wer die nötigen Maßnahmen bremst. „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates… eine freie … politische Presse (ist) für die moderne Demokratie unentbehrlich“, aber erhält natürlich viel Druck und Dreck, wenn die Wasserstände steigen. Ich frag‘ mal meine Omi Glimbzsch in Zittau, ob sie paar Groschen für Euch und die Presse übrig hat.

Peter Grohmann’s „Wettern der Woche“

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Das Wettern der Woche – Huck Föcke

Die Fregatte heißt Baden-Württemberg, nicht Brandenburg. Daher sollte der Chinese ganz, ganz vorsichtig sein: Unsere Fregatte ist bewaffnet. Wir haben in unserer Geschichte den Chinesen schon einmal die Rote Karte gezeigt – z.B. bei einer Hafenrundfahrt in Hamburg mit Olaf Scholz vor zwei Jahren und 1897, als unsere Truppen Qingdao besetzten, um eine Brauerei zu gründen. Die braut bis heute noch vor sich hin – aber keine Ahnung vom deutschen Reinheitsgebot. Und heute? Heute ist Deutschland selbst ein Beuteland, sagt Huck Föcke – es werde gegen die Interessen seiner Bürger regiert, die das auch glauben. Und das will er ändern. Laut einer repräsentativen Umfrage (INSA für „Bild“) stehen 73 Prozent der echten Deutschen der Beteiligung chinesischer Unternehmen in Deutschland überaus skeptisch gegenüber, würden aber jederzeit gern dort arbeiten.

Pecunia non olet, sagt meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Das wissen auch Menschen wie Albert Einstein, Hannah Arendt, Richard Tauber oder Sitting Bull, die froh waren, wenn’s damals wenigstens „Brot, Bett und Seife“ gab.

Geld stinkt nicht, das haben längst auch freie Radikale, freie Sachsen und freie Rechte kapiert. Sie freuen sich diebisch und einvernehmlich über Wahlkampfkosten-Rückerstattung – allein für die AfD waren es 2017 mehr als 41 Millionen Euro. Joseph Goebbels schrieb dazu am 30.4. 1928 ahnungsvoll in der Zeitung „Der Angriff“: „Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns aus dem Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. Wir zerbrechen uns darüber nicht den Kopf. Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht … Wir haben dem Gegner die Zähne gezeigt von den Podien der Massenversammlungen und von den Riesendemonstrationen unserer braunen Garde aus. Wir werden sie ihm auch zeigen in der bleiernen Sattheit eines parlamentarischen Plenums. Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir. Jetzt seid ihr nicht mehr unter euch! Und so werdet ihr keine reine Freude an uns haben!“

„Huck Föcke“ ist eine Möglichkeit, bleierne Zeiten zu überwinden. Fakten dazu gibt’s auch bei „Correctiv“. Über mehr müssen wir reden. Zum Beispiel beim Demokratie-Kongress am 3. Oktober im Stuttgarter Theaterhaus.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter, Koordinator beim Demokratie-Kongress am 3.10. in Stuttgart 

1933% – Grohmanns „Wettern der Woche“

1933% – Grohmanns "Wettern der Woche"

„Wenn die Brandmauer brennt, is Matthäi am Letzten“, ruft mir meine Omi Glimbzsch aus Zittau zu. „Hajo Exner hat hier das Direktmandat geholt – 38,4%. Nu jaja, nu nene – früher war’n wir mal die stärkste der Partein…“.

Der zweite Volksaufstand in der DDR verlief friedlich, wenn man von den Brandanschlägen, paar in die Fresse, zerstochenen Reifen und regelmäßigen Hexenjagden und Überfällen auf die Demokratie mal absieht, von den Prügeln für die Medien mal ganz abgesehen. Das dämliches Brandmauer-Gerede würd‘ jetzt ein Ende haben, orakelt der Alt-Nazi Björn Höcke aus Lünen (NRW), der in Greiz für die AfD magere 38,9 % holte.

Aus dem Wirbelsturm der beiden Landtagswahlen ist ein anderes Land hervorgekrochen, ein neues, anderes Deutschland. Nun machen wir uns alle bissel in die Hose – aber sorry: Wir wissen doch, dass eine Mehrheit der wählenden Bevölkerung in den beiden Bundesländern kaum je eine Loyalitätsbindung zu den traditionellen Parteien entwickeln konnte. „Wählen ist nicht mein Ding“, kommentierte ein sympathischer Nichtwähler in Dresden. Und die Jungen, die gewählt haben, bevorzugen braun. Dazu kommt: Viele Menschen ostwärts akzeptieren die republikanischen Entscheidungen nicht, sie verstehen deren Codes nicht, vielleicht teilen sie nicht einmal die Konzepte der Demokratie. Ebenso viele fühlen sich als Deutsche II. Klasse ohne Eisernes Kreuz oder, schlimmer noch, als Ausländer in ihrer Heimat, meint die New York Times.

Und jetzt? Es ist höchste Zeit für eine Generalüberholung der Strukturen und Zugänge zur Demokratie. Statt der Wahlkampfplattitüden allerseits brauchen wir dringlich die Auseinandersetzung mit politischen Aspekten der Demokratie, eine zweifelnde Debatte, Reflexion, Thesen und Themen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, zu Rassismus, zur bunten Republik Neuland. „Wehrt Euch“ reicht so wenig wie „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft“. Wenn Sie mich fragen: „An allem ist zu zweifeln“ (Karl Marx).

Wie weiter? Wir könnten auswandern. Aber wir könnten uns auch für die Republik stark machen, für die Menschenrechte, für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, eine freie, nicht kommerz-gesteuerte Presse, für Recherche-Netzwerke a la Correctiv und die viele anderen Medien-Mühen. Wir können dafür sorgen, dass unsere Demokratie krisensicherer wird. Wir könnten uns fragen, warum man uns, denen, die alles immer besser wissen, nicht über den Weg traut, warum unsere Argumente so wenig überzeugend sind. Und fragen: Wie gefährlich ist die AfD wirklich?

Demokratie-Foren wären nützlich, Mutmach- und Mitmach-Kongresse wie der am 3.10. im Stuttgarter Theaterhaus. Demokratie für alle? Das fängt ziemlich weit unten an, ist aber sicherer als auswandern.

Mensch! Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim DemokratieKongress am 3.10. in Stuttgart

Finger am Abzug – Grohmanns Wettern der Woche

 

Der alte Schriftsetzer findet die fünf Buchstaben für das Wörtchen „Fahne“ selbst bei Nacht im Setzkarten: Der Beruf ist tot, der Schriftsetzer lebt noch,
der Setzkasten steht zum Verkauf. Und ich freu mich über die alten Handabzüge, die vor mehr als 60 Jahren auf der ersten Korrex-Andruckpresse in meiner Buchdruckerei entstanden: „Nie wieder Hiroshima“.

Wir brauchten die Handabzüge. Als es den alten Hauptbahnhof in Stuttgart noch gab, kommunalen Wohnungsbau, eine linksradikale kommunale Polizei und noch keine Copyshops, war der belebte Platz vor dem Südeingang des Hauptbahnhofs ein gesuchter Ort für Demonstrationen – etwa eine 24-Stundenmahnwache vom 7. zum 8. August 1960, also mehr als 60 Jahren: „Nie wieder Hiroshima“.

Jetzt haben wir den Salat und die wieder die Finger am Abzug, die alten und die neuen Führer. Es juckt. Die Terrorbrüder, die Eskalateure und Demokratie-Unterwander aller Couleur vereinigen sich: Sieg oder Untergang. Wer die Wahl hat, hat die Qual, höre ich aus Zittau. 2008 war ich mit meiner Omi Glimbzsch in den Apuanischen Alpen. Wir sind alle keine großen Wanderer. Oberhalb der Marmorbrüche um Massa und Carrara liegt das Bergdörfchen Sant‘ Anna di Stazzema. An der Geschichte des aus kleinen Ortsteilen bestehenden Bergdorfs wären wir
damals vermutlich ahnungslos vorbeigewandert, hätte es ein paar ältere Menschen nicht gegeben, ehemalige Kommunisten, die ihre Partei , aber nicht ihre Erinnerungen und ihr Klassenbewusstsein verloren hatten. Sie stoppen uns und erzählen…
Die Deutschen, oft als SS oder Wehrmacht verleugnet, hatten am 12. August 1944 alles, was lebte und nicht Deutsch war, am helllichten Tage ermordet, 500 Menschen, wird gesagt. Das war heute vor 80 Jahren. Die Deutschen haben nach 1945 mit aller Gewalt und Macht verhindert, dass dieses und tausend andere Verbrechen aufgeklärt oder gar gesühnt wurden. Sie haben dafür alles Menschenmögliche unternommen. Daran wollte ich Euch erinnern, jetzt. heute, in diesen Tagen, wo die Machthabenden wieder die Finger am Abzug haben.

Wandern ist kein Ausweg.

Mensch Grohmann ist Kabarettist
und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter

Meine Streubombe – Grohmanns „Wettern der Woche“

Meine Streubombe – Grohmanns "Wettern der Woche"

Ja, meine. Sie werden jetzt vielleicht sagen: Der hat noch Streubomben, in seinem Alter? Nochmal ja, denn die Verantwortung nimmt mit dem Alter ebenso zu wie die Vergesslichkeit, das vergessen die meisten gerne.

Momentan, da wieder und mit gutem Recht überall vom kommenden Krieg die Rede ist und an die Alten nicht gern gedacht wird, dürfen wir unsere Abmachungen mit dem Frieden nicht aus den Augen lassen, selbst wenn sie in den Augen vieler wertlos geworden sind. Meine Streubomben sind daher aus guten Gründen geächtet. Sie haben nach Versand und in der Regel wissenschaftlich und militärstrategisch exakt kalkulierte Ziele wie den Feind, zugegebenermaßen aber vor allem unbekannte, unberechenbare und grausame Folgen für Mensch und Tier und Umwelt. Sie streunen halt überall rum.

Meine Streubomben lagern in Miesau, kaum 150 km von Stuttgart weg. Miesau liegt faktisch unmittelbar neben dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer, einem Namensvetter von Albert Schweitzer (beide SPD). Rechtlich und politisch ist für die Munition neben mir auch die wegen ihrer pazifistischen Grundhaltung gefürchtete Grüne Katrin Eder (für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität) verantwortlich: Transport. Meine Streubomben, die verbotenerweise in Miesau lagern, wurden in vertragswidriger und verbotenerer Weise in die Ukraine geschickt, um dort Krieg zu machen. Herbert Mertin (FDP) leitet als Zivilist das Ministerium der Justiz und schaut verbotenerweise zu. „Wenn wir Streumunition ächten, dann kann sie auch nicht in Deutschland gelagert oder transportiert werden“,sagt dazu Anja Resche ganz frontal. Kann, Anja, kann!

Von August 2022 bis Juli 2024 wurde Streumunition in der Ukraine in bei von beiden Kriegspartnern in großem Umfang eingesetzt, zum Teil auch gegen die Eigenen. Aber ich gehe mal davon aus, dass es sich bei den aktuellen Einsätzen der Ukraine um die von der russischen Invasionsarmee erbeuteten Bestände handelt und die illegalen Lieferungen – am deutschen Verteidigungsminister vorbei – vorerst unberührt bleiben, bis die Zeit ihrer Vernichtung kommt. Meine Bomben leben noch.

Mensch Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter

Bullshit – Grohmanns „Wettern der Woche“

Bullshit – Grohmanns "Wettern der Woche"

Die Hirnforschung zeigt, dass Linke in der Regel schlechter gelaunt sind als Konservative. Dabei wird leider vergessen, dass manche Linken konservativer sind als Rechte – ich könnte Namen nennen! Was lehrt uns das? Das Kidnapping traditionell linker Wählerschaften von rechts grassiert weltweit – es habe mit der Abwesenheit von Zukunft zu tun, spricht Friedrich Küppersbusch. Ich mit meinen vier Jahren Volksschule (kriegsbedingt) konnte mich lebenslang und auf die kritische Intelligenz meiner dubiosen Bekannten verlassen, bis das Internet kam. Besser als Bild, täuschte ich mich, bis ich merkte (4 Jahre!), dass das Internet hundert mal so viel Bullshit wie Papier produziert und eine Katastrophe für meine CO2-Bilanz ist. Seitdem verschenke ich keine Bücher mehr, sondern lese sie. Aber dann.

Vielleicht greift ein konservativer Mensch in die Kiste am Gartenzaun? 

Nein, nicht das Kommunistische Manifest in leichter Sprache, das wär‘ verräterisch. Den Münkler? Welt in Aufruhr tät‘ vielleicht passen. Oder Hemingway? Wem die Stunde schlägt. Da hab ich 2 von. 

Im Erdenrund gibt es mehr als 800 Millionen Erwachsene, die weder lesen noch einen ganz einfachen, kompletten Satz schreiben können. Manche können sogar nur zwei, drei Worte aufschreiben: Hilfe, Hunger, Brot. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen, wg. Stillen und Kochen. 

Aber was interessiert mich Erdenrund? werden Sie vielleicht einwerfen. Na gut: Zwölf Prozent der Berufstätigen können in unserem Land nicht richtig lesen und schreiben und verstehen nur leichte Sprache. Das sind bissel mehr als 6 Millionen, die meisten davon Männer, nicht wg. Stillen und Kochen. Als ich klein war, hab ich immer gedacht, Antisemitismus, Rassismus, Nationalismus – alles nur eine Frage der Bildung. Wennsde die hast, fällt alles andere von dir ab und du verstehst vielleicht Brecht und den Guten Menschen von Sezuan und was es mit Kindergrundsicherung, Umvolkung, Demokratie und Waffenlieferungen auf sich hat. Beim letzten Wort stutze ich, bis ich mir einfällt: Klar, ich bin gegen Waffenlieferungen, egal, wer Putin beliefert – Nordkorea, China, Iran oder Metro. 

Man müßt‘ sich auf einem Demokratie-Kongress* treffen, zum Denken und Machen: Analysen für Leute wie mich, leichte Sprache, Tipps aus der Praxis, Hoffnung. Und alles zusammen. Getreu nach Brecht: „Oh ihr Unglücklichen! Euerm Bruder wird Gewalt angetan, und ihr kneift die Augen zu! Der Getroffene schreit laut auf, und ihr schweigt?“. Ach so, der Termin: 3. Oktober 2024, Theaterhaus Stuttgart. Man sieht sich, zur Gegenrede.

Mensch! Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter

Wolfsgruß! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Wolfsgruß! – Grohmanns "Wettern der Woche"

Moooohment! Der Wolfsgruß ist lediglich ein Erkennungszeichen. Er sagt uns allenfalls: Hier bist du richtig, hier stehen die Feinde der Republik. Wir sind die Gegner von Atheisten und Christen, von Kurden und anderen Babymördern, solange sie leben. Hier demonstrieren die Feinde Israels, von Armeniern, Griechen, Kommunisten, Freimaurern, Päpsten, die Gegner Europas, der USA . Wen hamwa noch?

Die Grauen Wölfe gehören zur größten rechtsstaatlich geschützten rechtsextremen Organisation in Deutschland. Spätestens seit 1968 begannen sie gezielt mit politischen Morden, denen allein bis 1980 etwa 600 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Sein sollen. Sein sollen…

Die hiesigen Grauen Wölfe fallen besonders durch eine offen demonstrierte Gewaltneigung auf. Dazu der Verfassungsschutz sehr nett: „Die unorganisierten Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung leben ihre meist rassistischen oder antisemitischen Feindbilder unterschiedlich aus.“ Und: „Zusätzlich können Ereignisse und Konflikte im Zusammenhang mit der Türkei eine starke Emotionalisierung bei türkischstämmigen Nationalisten und Rechtsextremisten hervorrufen. Diese können sich auf die Sicherheitslage in Deutschland auswirken.“ Ja, wenn das so ist…

Fußballspiele und andere Veranstaltungen, häufig als Event bezeichnet, sind ideale Anlässe zur Rekrutierung neuer Mitstreiter – der Wolfsgruß gilt unseren türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern, den alten und den neuen Einwanderern, er ist Rosenkranz und Resonanzboden für Erdogan und Özil, millionen- und aberrmillionenfach verbreitet. Er ist ein Signal: Wir sind da. Wir warten auf Dich. Bald geht’s lo-hos. Das ist kein Scherz, Herr Merz. 

Wehret den Anfängen – abseits vom Bosporus? In Frankreich haben die Freunde der Republik gelernt – und wenn’s gut geht, gewonnen. Bei uns hinken die Linken noch der Zeit hinterher. Wenn sich aber der öffentliche Diskurs über die braunen Blauen und der Umgang mit ihnen nicht grundsätzlich und grundlegend ändert, droht die demokratie-zersetzende Strategie der AfD aufzugehen. Denn die AfD, um mal Tacheles zu reden, ist nach eigenem Bekunden darauf aus, die Gültigkeit der Menschenrechte und den Rechtsstaat in Deutschland abzuschaffen – kann sein, dass die „Brandmauer“ längst nur eine naiven Behauptung ist. Die AfD hat ihre Dominanzansprüche in abgegrenzten Sozialräumen realisiert, sie ist zu einer ernsten Bedrohung für die freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie geworden. Ihre Steigbügelhalter sind alle, die sich aus den Forderungen der AfD ein Stück für ihre Kuchen abschneiden. Aber bitte mit Sahne.

Mensch! Peter Grohmann ist Kabarettist

Volksfront jetzt! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Volksfront jetzt! – Grohmanns "Wettern der Woche"

Während der Revolution von 1848/1849 forderten Kalle Marx und Friedrich Engels weitsichtig, dass sich das Proletariat (also wir) dem Bürgertum (also uns) anschließen sollten, um mit diesem Trick bürgerliche Freiheitsrechte zu erkämpfen. 175 Jahre später nutzen die Proleten die Rechte zur Rache: Es geht ihnen beschissen, sie werden vergesslich („Es rettet uns kein höh’res Wesen“) und wählen ihre Schlächter selber: Die Bürger:innenrechte sollen abgeschafft werden. Die höh’ren Wesen von heute heißen Höcke und Weidel, Chrupalla und Trump, Le Pen und Orban – aber die Namensliste der Polit-Lumpen ist natürlich viel länger.

Der Volksfront wird im Reich von Kant und Hegel, von Arendt, Nagelsmann, Marx und Grohmann tagsüber eher vorsichtig begegnet. Die Erfahrungen mit den Kommunisten in Bautzen und drumrum waren nicht die besten – abgesehen davon hatte man in der Heimat von „Bild“ und „Neuem Deutschland“ ja auch von Mao, Ortega, Kim Jong-un, Ceaușescu, Ulbricht und Horst Mahler kurz gelesen. Aber die waren „nu wirglich ooch nich das Gelbe vom Ei“, tät meine Omi Glimbzsch in Zittau sagen. Nun aber schlagen in diesen Tagen beim gemeinen Volk auch die Erfahrungen mit der CDU zu, mit SPD, Grünen, der Noch-FDP – und beim Nachbarn die mit Macron und anderen Übelkrähen (Wehner).

Nicht nur in Europa tritt nun alles an, was rechten Rang und Klang und Namen hat, um die Grundrechte in die Tonne zu werfen. Täuscht Euch nicht – es könnt‘ gelingen. Doch wie sagt der Volksfrontmund gern? „Was willste machen?“ Wir Menschen sind Meister im Wegschauen, mit einem Lied auf den Lippen.

Volksfront! Volksfront bezeichnet unscharf ein politisches Bündnis linker Parteien untereinander oder auch eine Koalition von Linksparteien mit liberalen oder anderen bürgerlichen Kräften. Vielen lebenden Linken graut davor. Auch wenn sie aus bekannten und unbekannten Gründen nicht viel zu melden haben, sind sie doch fest im Glauben: Wir sind die stärkste der Parteien. So was macht auf dem rechten Auge blind. Oder umgekehrt.

Drüben klingt Front Populaire natürlich viel besser als Volksfront. Wo am kommenden Sonntag neben den blonden Faschisten auch Macron antritt, will das linke Bündnis klugerweise auf die eigene Kandidatur verzichten.

Und bei uns? Da hat man offenbar noch nicht so recht bemerkt, dass die AfD die Grundrechte abschaffen wird. Ich schwöre.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Liebe Kriegsverbrecher – Grohmanns „Wettern der Woche“

Liebe Kriegsverbrecher – Grohmanns "Wettern der Woche"

Liebe Kriegsverbrecher,

willkommen beim Erbfolgekrieg 2024: Siege und Niederlagen! Schreie nach Fouls! Aber nichts wird den bösen Traum vom Sommermärchen beim Fischen trüben können. Für alle schlechten Nachrichten gilt unosono: Schlüpft unter die Deck! Wenn ihr noch eine habt. Mit Näglein besteckt? Da kann der alte Romantiker Johannes Brahms kaum Nagelbomben gemeint haben. Die gab’s in der Romantik noch nicht, sie sind ein Kind der Aufklärung. Doch auch damals gab’s schon dunkle Drohungen gegen Kinder: „Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt.“ Er will nicht.

Nagelbomben – da triggert nur bei den wenigstes was. Attentat in Köln? Türkenkrieg? 20 Jahre später zurück zum richtigen Krieg: Da gibt’s keine Nagelbomben, wegen des Aufwands sind Streubomben effektiver. Sie setzen nach Abwurf hunderte Mini-Bomben frei, die sich bei Niederkunft und Explosion über große Areale verteilen. Streumunition trifft, verwundet und tötet wahllos. Bomben, die nicht explodieren, sind eine dauerhafte Gefahr und kaum zu räumen. Die meisten Opfer stammen aus der Zivilbevölkerung, häufig sind es Kinder. Morgen früh, wenn Gott will…

Die USA feuerte während des Vietnamkrieges 1955 – 1975 mehr als 250 Millionen Streubomben ab, von 1962 bis 1971 auch Agent Orange. Das ist bei der jungen Generation und ihren Eltern ein längst vergessenes chemisches Entlaubungsmittel. Im Libanon warf das Land, das ich nicht nennen will, in nur wenigen Tagen über vier Millionen Streubomben ab. In Tel Avis rufen Kinder: Free Netanjahu. Der rechte Arm der Hamas (der linke ist amputiert) pocht auf das Recht zu Kriegsverbrechen: eine Terrororganisation mit Regierungs-auftrag. In der Ukraine haben die russischen Streitkräfte (wg. Befreiung) seit 10 Jahren intensiv Streumunition genutzt, egal, was es kostet oder wen es trifft. Die ukrainischen Streitkräfte haben sich mit Streumunition gerächt. Kriegsverbrecher setzen heute – wo auch immer – Streumunition und Fake news ein. Guck selbst: https://www.handicap-international.de/sn. Und unter www.bundeswehr.de finde ich diesen Satz: „Erleben Sie das Minenverlege-system 85 am 8. Juni 2024 beim Tag der Bundeswehr in Augustdorf.“ Mit Kindern? Egal, und danke, Boris, für die Einladung! Das sind klare Worte,

Hass, Gewalt und Missbrauch – für rund 230 Millionen Kinder weltweit sind das zurzeit die prägenden Erfahrungen ihrer Kindheit. Sie haben als ABC-Schützen gelernt und wissen: Es gibt auch ABC-Waffen.Der Kriegsverbrecher von heute weiß: Krieg ist hässlich, muss aber sein, wegen der Feinde und weg des Friedens. Er weiß aber auch: Atomwaffen, das geht garnicht – ist aber nicht verboten, im Gegensatz zum Giftgas. Das wurde übrigens 1909 von Nobelpreisträger Fritz Haber in Stuttgart erfunden. Noch Fragen? Die Antwort, mein Kind, weiß ganz allein der Wind.

Mensch Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter

Wenn Nazis vom Himmel fallen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Wenn Nazis vom Himmel fallen – Grohmanns "Wettern der Woche"

1945: Nazis weg, wie vom Erdboden verschwunden! Bekanntlich unterschrieben nach Ende des brutalen Angriffskriegs die deutschen Nazi-Generäle unter Zwang unsere bedingungslose Kapitulation. Millionen trauerten. Hunderttausende überzeugte Einzeltäter verschwanden in der Kanalisation. Andere wanderten mit Gottes Segen und falschen Papieren aus oder waren des Broterwerbs wegen gezwungen, als Richter, Lehrer, Staatsanwälte, bei der Polizei, in den Kommunen, bei Feuerwehr, Verfassungsschutz etc. pp. weiterzuarbeiten, um Kommunisten zu verfolgen.

Halt! Wo das nicht zumutbar war, vergoldete das reduzierte Deutsche Reich den Ruhestand mit der Pensionierung. Nur fünf Jahre nach dem Ende der brutalen Angriffskriege konnten alle, denen man nicht direkt Mord oder Totschlag z.B. an den sechs Millionen Juden nachweisen konnte, wieder ihrer alten Arbeit im öffentlichen Dienst nachgehen. Auch die Bewährungshelfer.

Heute erinnert kaum mehr etwas an die brutalen Angriffskriege. Kriegerdenkmale sind Mangelware. In Stuttgart ist das Kaiser-Wilhelm-Denkmal mit Reiterstandbild für Völkermörder eher die Ausnahme für Anno Dunnemal. Anderswo müssen etwa die politischen und Blutsverwandten von Generaloberst Alfred Jodl OKW (Oberkommando der Wehrmacht) nachts zur Fraueninsel im Chiemsee schwimmen, um unbeobachtet vor den geistigen Überresten unseres Kriegsverbrechers für bessere Zeiten zu beten. Jetzt sind sie da.

Aber kein Mensch hat geahnt, was da auf uns zukommt, nur meine Omi Glimbzsch in Zittau. Wir, die immer nur das Beste wollten für Deutschland und die ganze Welt, wir, gewissermaßen die geisteswissenschaftliche Elite, Forscher:innen, Scientologen, Lehrer:innen, Medien, fallen aus allen Wolken, wenn die freundlichen neuen Nazis wieder zur alten Größe aufrücken. Macht kommt morgen – aber die Usurpatoren sind da. Gewaltfrei und unter dem Staunen, Unglauben oder Jubel der Massen marschieren sie durch die Siegessäulen der Demokratie zur zweiten Wiedergutmachung allen Unrechts, das uns widerfuhr.

Ja, ich weiß. Sie fielen nicht vom Himmel. Sie waren immer da. Aber in Massen kamen sie von Linken und SPD und ließen der Antifa kümmerliche Reste. Sie kamen von Grünen und Liberalen und Schwarzen, sie kamen als Notnagel fürs letzte Gefecht von den Nichtwählern. Es sind die Angsthasen der Neuzeit – und zugleich Kleinkriminelle, was die Republik angeht. Ist es nun Zeit für den Abschied von gestern oder soll man den Himmel wechseln? Verstehen Sie es? Aber „verstehen heißt immer: verstehen, was auf dem Spiel steht“, behauptete Hannah Arendt.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter. Alle Wettern-Videos gibt’s hier zum Nachgucken.

Linke Socken mit Loch – Grohmanns „Wettern der Woche“

Linke Socken mit Loch – Grohmanns "Wettern der Woche"

Rache ist Blutwurst! Nein, nichts gegen die Grünen! Das mit der Butwurst stammt aus Erich Maria Remarques immer lesenswerten Antikriegsroman „Im Westen nicht Neues“ – wie prophetisch! Ich bezieh’s mal auf die Wahlen und frage mich: Werden sich die Wahlergebnisse an den WählerInnen rächen? Aber ja doch!

Vorerst hat sich ein beachtlicher Teil der Jugend an den Grünen gerächt (das sind die mit dem Klima, an dem man eh‘ nichts mehr ändern kann). Und nun haben alle dreie Pech: Das Klima, die Grünen und die Jungen.

Wer 18 Jahre alt ist, das Schweizer Bürgerrecht besitzt und nicht unter einer Geistesschwäche leidet, darf dort an den Nationalratswahlen teilnehmen, seit 1971 sogar Frauen. Ein Stimmbürger soll schon 1848 auf seinen Stimmzettel geschrieben haben: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber!“ – als Protest gegen die Ausgrenzung ganz Bevölkerungsgruppen. Hat nicht viel geholfen.

Wahlen sind schmerzhaft, vor allem, wenn sie anders ausgehen, als von den Medien & Machern geplant. Denn wer hätt‘ gedacht, dass sich bei uns, dem Land der Dichter und Denkerinnen, so viele Junge von den Grünen abwenden und fast liebevoll nach rechts driften: Ach! vielleicht, indem wir hoffen, Hat uns Unheil schon getroffen (Omi Glimbzsch in Zittau, wo die AfD weit abgeschlagen bei 31,2 % landete und die Linke immerhin satte 3,7 % erreichte. Nur die SPD ist stärker: 5,4 %. Das kann allenfalls ein amtliches Endergebnis noch toppen. Fest steht nur: Die linken Socken haben ein Loch. 

Alle meine Freunde, viele von ihnen durchaus intelligenter und linker als ich, wissen natürlich, wer oder was das Loch verursacht hat – und wie man es stopfen könnte. Immerhin wundern wir uns gemeinsam, warum die AfD, nur mal als Beispiel, fünf- oder zehnmal mehr Klicks auf Tik Tok hat als alle anderen Parteien zusammen. Da schau her! In Stadt und Land, ihr Arbeitsleute, wir sind die stärkste der Partei’n! Aber uns glaubt ja keiner.

Ich weiss, als alter Jünger Gutenbergs, Dunkelblau entsteht durch vorsichtiges und richtiges Mischen von Blau und Schwarz. Doch Dutzendfach hat gegen den Rutsch ins Rechtsradikale nur geholfen, wenn sich die demokratischen Parteien bei allem Ja und Aber auf einen gemeinsamen Vorschlag im Lokalen geeinigt haben, und auf die Abwehr des rechtsradikalen Hochwassers. Dämme bauen. Sonst siegt blau.

Europa ist kein Glücksrad. Es müsst‘ größer und gerechter werden. Die Demokratie und Europa brauchen Erste Hilfe, dauerhaft.

Mensch! Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter

Fluten und Fluchen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Fluten und Fluchen – Grohmanns "Wettern der Woche"

Liebe ist verwegener als Hass – eine erfreuliche Feststellung von Baltasar Gracián y Morales (auch kein Deutscher, aber ich kannte ihn). Der Jesuit wäre nie auf die Idee gekommen, jemanden etwa auf gut Spanisch zuzufluchen: „Ich brech‘ dir die Knochen!“ oder den anderen beliebten Satz aus der Neuzeit; „Paar in die Fresse“, manchmal noch mit Fragezeichen.

Praktisch gesehen geht das ja noch: Nasenbluten. Vielleicht Nasenbein-bruch. Die gebrochene Nase heilt von allein.

Die gebrochene Nase täuscht nich drüber weg, dass wir in den letzten Jahren einen weit gefährlicheren politischen Klimawandel erleben – Hochwasser bis Unterkante Oberlippe. Selbst geistig höher gelegene Lagen werden überflutet, die Sandsäcke platzen. Die um Macht und Mandate fürchtenden Parteien bezahlen ganze Armeen von Meinungsforschern, Analysten und Tagdieben, um herauszufinden, was den politischen Gegner am meisten schadet, ja, was ihn zur Weißglut bringt und in Wortfallen tapsen lässt. Auge um Auge, wie die Blinden gern sagen. Es gibt eine Theorie, in der gefaktet wird, dass körperliche und emotionale Schmerzen ein identisches Verarbeitungssystem im Hirn teilen. Beleidigungen, Derb-heiten, Flüche – da werden Adrenalin, Cortisol und Endorphine freigesetzt: Das lindert das soziale und auch körperliche Schmerzempfinden, haben linke Freunde von mir herausgefunden (Emma Byrne, Die Kraft der Schimpfwörter: Warum Fluchen gesund ist, Norton & Co). Fluchen lässt einen Menschen nicht unbedingt höflich erscheinen, hat aber überraschend positive Effekte: Es lindert Schmerzen und stärkt Beziehungen, sagt sie.

Fluchen ist gesund, anders als gemeingefährliche Fluten. Und irgendwie auch so schön, dass Kontrahenten den § 188 StGB aus dem Auge verlieren. Noch schlimmer aber, wenn die nicht nur mit Worten gegen Personen des politischen Lebens um sich schmeißen, sondern handgreiflich werden und das Messer nehmen. Das eine nicht ohne das andere? Ich bin unschuldig, sagte der Frosch, bevor er unter die Räder kam. 

Die gut gelaunten Rassisten von Sylt wohnen gleich nebenan. Sie ticken wie Du und ich, lassen auch mal Fünfe gerade sein und bereiten heute unbewusst, naiv und oft feige, ideologisch das Pflaster vor, über das morgen der politische Gegner geschleift wird. Nein, nicht ins KZ.

Es genügen Wortverbote, Verleumdungen, tägliche Gemeinheiten, Lügen, Ausgrenzungen, Ignoranz und Ignorieren. Paar in die Fresse – täglich, medial, solange, bis du niederkniest und um die Gnade der Demokratie bittest: Gehört zu werden. 

Mensch Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter

Mein Freund, der Faschist – Grohmanns „Wettern der Woche“

Mein Freund, der Faschist – Grohmanns "Wettern der Woche"

Mooohment, bevor Sie wieder zu schnell abdrehen! Mein Freund ist ein kulturell über uns stehender Italiener, blond was das Zeug hält, in Biberach geboren und aufgewachsen (weiß der Geier, wie das kommt), groß und kräftig wie alle Südländer, aber heißblütig, wenn der VfB einen Strafstoß erhält. Leonardo liebt geschmelzte Maultaschen in der Brühe, aber auch Immanuel Kant. 1978 hat er mich mal ins Stuttgarter Schauspielhaus mitgeschleppt, in Peymanns Inszenierung von Bernhards Theaterstück Immanuel Kant. Ich kannte ja alle drei von früher und bin mit – es war die Aufforderung Kants an mich ehedem Mutlosen, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen. Warum auch nicht?

Aber mein Freund Leonardo ist ein Faschist. Keine Ahnung, ob er die Doppelte Staatsbürgerschaft beantragen würde, um in Italien Melone abzuwählen – Avanti Popolo und so. Viele der grauhaarigen Eurokommunisten liegen unter der Mater Terra, und die Linke dort unten, unsere Hoffnung, unser Sieg, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Aber die Faschisten Italiens 

marschieren. Sie marschieren und terrorisieren und sitzen mit frischer Unterwäsche in nahezu allen Parlamenten. Manchmal marschieren sie mit steil noch oben gerichteten Arm, als wollten sie sagen: Der da oben ist mit uns! Eine Glaubenslüge. 

Mein Freund der Faschist ist im Grunde genommen pazifistisch angehaucht wie Jesus, aber der Hauch ist zu schwach, um zum Sturm zu werden in kriegslüsternen Zeiten. Leonardo ist überdies ein Freund der Seenotretter, anders als der CDU-Chef Roland Schmidt in Cannstatt, der gern mit der AfD gemeinsam das Abendland retten tät‘, wenn’s noch ginge. Leonardo wählt, fürchte ich, eher grün, die überzeugen ihn zwar nicht, aber die Linken noch weniger. Es gibt keinen 1.Mai, an dem er nicht mit roter Nelke und weißem Oberhemd auf dem Marktplatz steht und anschließend im Kommunisten-Waldheim eine Rote Wurst vespert. Er hat anders als ich studiert, Literatur, Politik und so, aber „koin Doktor han i net macha könne, wegm Haushalt ond weil i halt uff onsre drei Kender hab uffpassa müsse“, während seine Frau arbeiten ging.

Egal jetzt. Mein Freund der Faschischt wurde erwischt. Er hatte mit einem kleinen Scherle ein AfD-Plakat abgeknipst, weil es ihm beim Einparken die Sicht versperrte. Doch mitten im Tun stürzten drei Maskierte auf ihn und verprügelten ihn. „Dreckiger Faschischt“ (schwäbisch) riefen sie, „da hascht die Quittung. Du hängscht koin AfD-Plakat mehr auf!!“ und verschwanden. Aber wie’s der Teufel will – während er noch ziemlich rumtappste, tauche ein anderer Trupp von Wahlhelfern auf: „Ja, wen haben wir denn da?“. Natürlich fragten sie nicht lange und wirklich, sie schlugen einfach zu. Gut geschult. „Der zerstört keine AfD-Plakate mehr!“

Ich habe ihn im Klinikum besucht. Das linke Auge kann doch noch gerettet werden.

Mensch Grohmann ist Kabarettist und Koordinator beim Bürgerprojekt Die AnStifter

Der Untertan – Grohmanns „Wettern der Woche“

Der Untertan – Grohmanns "Wettern der Woche"

The times, they are changin’ oder wie der Russe gern sagt: Времена, они меняются – also Vremena, oni menyayutsya! Nichts ist sicher, das wußte schon Josef Stalin, der regelmäßig in einer kleinen schmucken Kapelle im Kreml betete, nur mit einem Siegelring und bekleidet und von einem Leibwächter begleitet. Auch Wladimir Iljitsch Putin, mein Lieblingsgangster nach Donald Trump, ist ein gern gesehener Bet-Bruder bei den kommunistischen Orthodoxen: Mal betet er für schönes Wetter am 8. Mai, mal für den Endsieg, mal bittet er den lieben Gott, dass nichts rauskommt wie jetzt bei seinem Blutsbruder Sergej Schoigu, dem alten Halunken! Der soll Millionen gescheffelt haben – ein Hand wächst die andere – kommt aber momentan nicht mehr ans Geld in der Fremde ran, weil er auf der EU-Sanktionsliste steht. Ich sag‘ immer: Immobilien sind sicherer. Und Zahngold.

Was Russland angeht, jetzt mal ganz unter uns: Ich würde alle entlassen, aber niemals meinen Verteidigungsminister! Der neue Mann für Drohnen, Krankenhäuser und Schulen (nein, nicht in Gaza) heißt Andrei Remowitsch Beloussow und ist 20 Jahre jünger als ich. Er gilt als Experte für Mensch-Maschine-Systeme. Das klingt schon mal fortschrittlich und lässt Kritische Intelligenz vermuten – was für Untertanen. 

Meine Omi Glimbzsch in Zittau hat übrigens in der guten alten Zeit (also DDR) gern vom Brudervolk gesprochen und wechselte die Straßenseite, wenn ihr ein Russe entgegenkam – nicht ahnend, dass es in der UdSSR einst 160 Brudervölker gab. Von den Brüdern haben inzwischen auch viele die Straßenseiten gewechselt, sie wollten keine Untertanen mehr sein. Erst nach der Befreiung vom Faschismus kam übrigens raus, dass im brutalen Angriffskrieg der Deutschen rund 27 Millionen Russen ihr Leben verloren. Insgesamt waren es 60 Millionen, übrigens alles Menschen. Ich find’s richtig, in diesen Zeiten von Angriff, Verteidigung und Meinungsfreiheit daran zu erinnern, ganz vorsichtig natürlich. Heute hier, morgen dort, wie Hannes Wader weiß. Aber es ist eben doch ein Fehler, „Nie nach Gestern und Morgen gefragt“ zu haben.

Heinrich Mann (1871 – 1950), der mit dem Untertan, trotzte seinem Vater, verteidigte die Weimarer Republik und kämpfte gegen die Nazis. Solche braucht’s heute mehr und mehr und mehr, damit wir nicht resignieren. Und Satire, die ins Auge geht.

Mensch Grohmann ist Kabarettist und Gründer des Bürgerprojekts Die AnStifter

Hass² – Grohmanns „Wettern der Woche“

Hass² – Grohmanns "Wettern der Woche"

Es gibt blinden Hass, Bayern-Hass und Hass auf Kartoffelbrei, von anderen Hassen ganz zu schweigen – auf Homosexuelle, die AfD und die Grünen, auf dicke Autos, Radfahrer:innen, Flüchtlinge, Genderei, Frauen und das Wettern der Woche. Es gibt welche, die hassen sich sogar selbst.

Hass ist menschlich und hilflos, so was hassen wir. Dagegen taumelte eben der VfB Stuttgart samt Publikum jubelnd mit einem 3:1 aus der früheren Adolf-Hitler-Kampfbahn. Nirgends Hass, nicht mal bei Manuel Neuer. Ganz anders am 1. Mai und drumrum. Da ließen testosterongesteuerte Jugendliche Polizist:innen und Polizeipferde tanzen. Das schafft Sympathien.

Die einen hassen Streiks, die anderen hassen hohe Mieten. Beides hat nachvollziehbare Gründe. Hass ist häufig das Produkt frühkindlicher Fehlentwicklungen: zu viel Alete, zu wenig Muttermilch. Generell fehlt’s oft an der dringend notwendigen Trennung von Gefühl und Verstand. Das führt zur Frage: Was hindert denn den Menschen am Menschlichsein? Warum treten Jugendliche einen hilflos am Boden liegenden Mann zu Tode? Warum sind die guten alten Wirtshausprügeleien passé, bei denen man sich anschließend die Hand gibt? Man wohnt im gleichen Dorf und muss morgen wieder gemeinsam auf den Acker der Republik. Warum wird geprügelt und Gewalt geübt, mehr noch als im sonntäglichen Tatort? Wussten Sie, dass es Fußballspiele von Kindern gibt, bei denen die zuschauenden Väter aufs Spielfeld stürzen und den Gegner ohrfeigen, weil Sohnemann gefoult wurde? Oder dass Lehrer:innen meist nicht mehr prügeln, aber häufiger selbst verprügelt werden? Wir reden hier von direkter Gewalt, so wie gern von direkter Demokratie geredet wird – dazu kommt natürlich noch die geballte Faust direkt aus den sozialen Medien – und direkt in die Fresse.

Mehr als fünfzig Prozent der Leute bekennen sich aus Furcht vor Hass im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung, beteiligen sich weniger an Debatten oder Wahlen. Das gilt auch jenseits aller Netze: im Alltag, auf Arbeit, in der Schule. Lieber Maul halten. Besonders für junge Frauen sind sexualisierte Übergriffe in den sozialen Netzwerken Alltag, Personen mit Migrationshintergrund und queere Menschen sind heute viel öfter Gewaltandrohungen und Beleidigungen ausgesetzt.

Mensch, wie tickst du? Zehn Prozent wollen ihren alten Kaiser Wilhelm wieder haben (einen starrrken Führer, Diktatur & Einheitsbrei). Fast zwanzig Prozent sind sich sicher, dass Deutschland den anderen Nationen überlegen ist – trotz Kant und Hegel, Arendt und Arno Gruen. Ja, Gruen! Nehmen Sie sich in Sachen Hass bitte mal Arno Gruen zur Brust, wenn Sie der Hass auf die herrschenden Zustände überkommt. Verlinken Sie sich.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter. 

Wehrt euch! – Grohmanns „Wettern der Woche“

 

Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen: Ich bin der erste Kriegsdienstverweigerer, ich hab ’s amtlich. Keine Ahnung, wie lange solche Dokumente halten, aber ich verspreche hoch & heilig: Ich mach’s nie wieder. Vielleicht kriegen wir ja (wegen der Gleichberechtigung) jetzt auch einen Veteranentag fürs Klo säubern, Kotze abräumen, psychisch erkrankte Menschen mit aller Gewalt ruhigstellen (im Notfall: Elektroschocker), Nase zuhalten und Essen einflößen, obendrauf ’ne gute Portion Merck oder AstraZeneca, täglich 1 – 2 Selbstmorde verhindern, erzwungene Beteiligung an Menschenversuchen – tja, die Erinnerungen! Da kommt nicht nur Nachts manches hoch. „Das ist nix für schwache Nerven, da musst du standhalten!“, sagten die Ärzte. Die Steigbügelhalter der Nazis hielten bis zur Pension stand. Keiner fragte.

Wenn man sich nicht wehrt, landet man am Kreuz“, schrieb Winfried Kretschmann im März 24 dem Pabst hinter die Ohren, weil der als wichtigster Vertreter Gottes auf Erden irgendwas von weißen Fahnen gefaselt hatte. Nein, das war keine Gotteslästerung, es war Jesusschelte.

Der heute weltweit gehasste Pazifist, wer wüsste es nicht, hat momentan nicht viel zu melden. Man kann den damaligen Widerständlern gegen den brutalen Angriffskrieg der Deutschen (33 – 45) gegen den Rest der Welt vorwerfen, dass sie sich nicht einig waren im Kampf gegen Terror und Krieg, obwohl sie deren Pläne längst kannten. Man könnte ihnen etwa vorwerfen, dass sie hier bei uns nicht zu den Waffen gegriffen haben. Vielleicht hat der oberschwäbische Ministerpräsident und Jesuskritiker doch recht, vielleicht ist es gar ein Appell an alle Menschen, die sich auf Gottes Erdboden gegen Terror und Gewalt, gegen Ausbeutung, Vertreibung, Hunger und Elend zu bewaffnen und endlich zur Wehr setzen? Eine Warnung, um nicht am Kreuz zu landen wie die vielen Millionen Menschen, die von den Deutschen zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt wurden? In fast jedem Ort, jedem Betrieb schufteten sie bis zum Umfallen – oder bis zur Befreiung, auch Kinder und Frauen. Der Arzt Karl Horst Marquart ist in mehrjähriger Forschungsarbeit dem Leben und dem Tod von mehr als 200 sowjetrussischen Kindern nachgegangen – 260 starke Seiten bei kontakt@die-anstifter.de  – Kinder, die allein in den Lagern der Wohlstandsstadt Stuttgart zwischen 1943 – 1945 geboren und gestorben sind. Sie konnten sich so wenig wehren wie die Kinder heute – in Charkow, Kiew: Nah-ostwärts. 

Und jetzt? Trauer, Frust, Resignation 80 Jahre später? Oder Widerstand gegen das Vergessen? Die Gegenwehr beginnt mit Gegenöffentlichkeit.
Wir sind ein Teil davon.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Jetzt schlägt’s 13 – Grohmanns „Wettern der Woche“

Jetzt schlägt's 13 – Grohmanns "Wettern der Woche"

Nein, diesmal kein schräger Humor, keine Glosse im Glück, kein gutes Wetter, kein schöner Land in dieser Zeit. Es geht ums Grundsätzliche, ums Zusammenleben, ums Gemeinsame, ums Künftige, um das wir uns mehr kümmern müssen, ums Grundgesetz. Das wurde vom Parlamentarischen Rat, dessen Mitglieder von den westdeutschen Landesparlamenten gewählt worden waren, am 8. Mai 1949 beschlossen und am 23. Mai 1949 verkündet. Sie können mit Recht einwenden, dass da etwa die Bürger:innen der DDR nichts mitzusprechen hatten, so wenig wie die Frauen oder die Jugendlichen oder andere Sprachlose. Aber ich sag‘ Ihnen, es hätte schlimmer kommen können mit dieser Republik, deren Feinde weiterhin an den Hebeln der Macht saßen.

„Jetzt schlägt’s 13“ will meilenweit sichtbar und 75 Jahre nach dem „Tag der Verkündung“, also am 23. Mai 2024, Zeichen setzen. Will auf das Unvollendete im Grundgesetz aufmerksam machen, auf Fehlstellen der Demokratie, aber in vorderster Front auf seine Gefährdung – nein, nicht nur durch rechte Radikalinskis und Faschisten, nicht nur durch den Kauf von Parlamentsentscheidungen, nicht nur durch den Ausschluss der Vielen von „demokratischer Teilhabe“, sondern durch demokratische Askese und Ansprachlosigkeit, durchs Nitschewo der Mitte, durch ein meilenweites Piepegal gegenüber der Demokratie.

Mit „Jetzt schlägt’s 13“ können Sie und du und ich und alle, die das lesen und gut finden und weitergeben, öffentlich ein Zeichen setzen: fürs Grundgesetz, für Informations- und Meinungsfreiheit, für politisches und alltägliches Engagement in allen Lebensbereichen. Die Kulturschaffenden treten vors Publikum, Schulen, Universitäten demonstrieren Demokratie, aus allen Fenstern winkt die Republik. Musiker:innen singen und spielen auf Straßen und Plätzen, Beschäftigte treten vor ihre Arbeitsstellen, der Verkehr stockt für fünf Minuten, es wird öffentlich geredet und gestritten, Flugschriften kursieren, die sozialen Medien feiern die Fantasie in Kinos und Theatern, auf den Bühnen landauf, landab, auf Betriebsversammlungen, in Museen, Volkshochschulen, in den Kirchen der Soziokultur. Auf den Titelseiten der freien Presse, in Funk und Fernsehen werden Ausrufezeichen und Fragezeichen verteilt, individuell, gemeinschaftlich, genossenschaftlich, eigenverantwortlich. Enough is enough! Quando il troppo è troppo? C’est le bouquet! Sind Sie angestiftet?

Man sieht dich, man sieht sich. Raus vors Haus am 23. Mai um 13 Uhr.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

s‘ ist Krieg – Grohmanns „Wettern der Woche“

s' ist Krieg – Grohmanns "Wettern der Woche"

Kriegslied (Matthias Claudius, 1778)

’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede Du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre,
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich‘ herab?

Was hülf mir Kron‘ und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
’s ist leider Krieg – und ich begehre,
Nicht schuld daran zu sein!

Doch Friede schaffen, Fried‘ im Land‘ und Meere:
Das wäre Freude nun!
Ihr Fürsten, ach! wenn’s irgend möglich wäre!!!
Was könnt Ihr Größers thun?