Peter Grohmann
„Das letzte Wort“ bei der FriedensGala 2011 im Theaterhaus Stuttgart

(Friedenspreis der AnStifter an Fatuma Abdulkadir Adan)
In die Brenn…Nesseln gesetzt
Über zu dünnes Eis gelaufen
Durch Feuer gegangen
Das Maul verbrannt
Auf Eiern getanzt
Steine gekocht
Sterne gegrüßt
Auf Sand gebaut

Aber schöner, viel schöner
als alle ihre neuen Häuser

Unser neues Haus „AnStifterhaus“ steht jetzt in der Werastraße,
fast im Herzen der Stadt, der Schritt vom Kleinen ins Größere – und nicht auf Sand gebaut, sondern auf Vertrauen und gegenseitige Wertschätzung
in einer Zeit, in der es an beidem mangelt..

Man sieht von dort aus unterschiedlicher Perspektive nicht nur den Bahnhof, sondern die Welt: Seebehinderungen sind nie ganz auszuschließen. Weitsicht und Geld, was für ein Widerspruch. Doch auch wenn die Währung momentan nicht mehr ganz so stabil aussieht: wir schätzen auch Eure, auch Ihre Euros. Will sagen: Wer uns findet, sucht uns auch. Danke für diese Unterstützung, die uns unabhängig sein läßt.

In den Wein des schönen Abends will ich, zum Schluß und bevor wir zum Tanze bitten, den Tropfen Wermut geben, und er wird nicht reichen für unseren gerechten Zorn.

In diesen Tagen empört uns das Land, dass sich kaum empört, und in dessen Mitte 150 Menschen ermordet wurden, weil sie anderer Meinung waren, weil sie anders aussahen, weil sie Fremde waren.

Gefahr besteht. Denn so könnten auch wir fremd werden im eignen Land,
fremd, weil in unserem Lande offenbar unter den blinden Augen staatlicher Behörden neun Menschen ermordet wurden, von einer rechten Terrortruppe:

U-Boote, vom Verfassungsschutzes ausgesetzt, ausgestattet mit einer Menge Geld, U-Boote, gefüllt mit Hass, ausgestattet auch mit besten falschen Papieren, die dieses Land zur Verfügung hat – Papiere, für die jeder Flüchtling dankbar wäre, dem es nicht gelingt, unsere Grenzen zu überwinden.

So werden auch wir fremd in einem Land, und wo die gute Gesellschaft
samt ihren Medien die neun Ermordeten als Eilmeldung verbreitet, aber jene 150 anderen Ermordeten der letzten 10 Jahre einfach ausblendet, einfach unter den Tisch fallen, einfach vergessen kann.

150

Wer sich nicht erinnert, verliert die Orientierung. Ohne Erinnerung keine Zukunft. Unsere Erinnerung soll wie ein bunter Fächer sein, eine Ermunterung zum Streit untereinander und mit den Schönrednern der Demokratie, die den Bürgerinnen und Bürgern den Schneid abkaufen wollen für’n Appel und ’n Ei.

Darüber wollen wir bei der AnStifter-Jahrestagung am 3. Dezember mit Ihnen und öffentlich im Literaturhaus diskutieren, und mit Albrecht Müller, einen Nachmittag lang, soviel Zeit muss sein. Sie sind herzlich eingeladen.

Die neuen Bürgerbewegungen, weltweit und im eigenen Lande, zeigen uns, daß es eben doch keine Vergeblichkeit des Tuns gibt. Und so ziehen wir heute den Hut vor den Frauen in Ägypten, vor den Jungen in Tunesien, die die alten Geister vertrieben haben, vor den vielen anderen, die weltweit aufstehen, von Shanghai bis Damaskus und New York, in Lateinamerika und Afrika.

Wir grüßen ganz in diesem Sinne die neun bisherigen Friedenspreis-Trägerinnen, unter ihnen Helga Dieter aus Frankfurt, Lama Tarayra aus Jerusalem, Giuliana Sgrena in Rom und Susan Bardosz in Budapest.

Adam Smith schreibt in seiner “Theorie der ethischen Gefühle” (1759):

“Mag man den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen….“

Es ist dieses Interesse am Anderen, das Bedürfnis, ja auch die Notwendigkeit, sozial vernetzt zu sein und teilzuhaben, das uns wissen läßt: Mit Ihnen können wir den Lauf der Dinge ändern. Und Sie mit uns.

Gewissermaßen ist es so etwas wie der integrale Taktverkehr, der den Erfolg der neuen Bürgerbewegungen ausmacht. So sind wir und Sie als AnStifter Teil des Ganzen, Impulsgeberin, Vernetzer, Aufmucker.

Kollektive sind klüger als der Einzelne. Deshalb findet Ihre, Eure, unsere kluge Mehrheit Jahr für Jahr mit glücklicher Hand die Preisträgerinnen & Preisträger – im letzten Jahr den Asylpfarrer Werner Baumgarten, der unter uns sitzt.

Kollektive sind klüger als der Einzelne. Wir freuen uns um diese Klugheit.
Aber wir sind in Sorge, weil auch die Dummheit nicht abnehmen will.

Der Klügere darf nicht länger nachgeben!
Stehen Sie mit uns auf. Und kommen Sie auf unsere Seite, zu den AnStiftern.
Es hat noch Platz.

Blühende Bäume,
die in die Himmel wachsen
1000 Schwalben, die neue Sommer machen.

Freunde für kalte Zeiten.
Wege wie Menschen mit Ecken und Kanten
Müßiggang an fremden Meeren
auf alten Alleen
Heimat für alle – und Brücken in fremde Länder
Wegweiser zu Nachbarn: Die offene Tür
und das offene Herz
Lust beim Standhalten und Zeit zum Leben

Es ist angeStiftet.
Ich danke Ihnen und Euch.

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz

Ein Gedanke zu „Peter Grohmann: „Das letzte Wort“ bei der FriedensGala 2011 im Theaterhaus Stuttgart

  1. einen herzlichen dank die schönen kommentare im bürgerbrief ich lese ihn sehr gerne.
    auch der richtige biss ist immer passend eifach nur danke dafür das sie den immer wieder heraus bringen.
    a. behrendt

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