Bürgerbrief 57

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
in aller Frühe, um 5.29 h, ist sie am Samstag in Kufstein in den Zug gestiegen, unsere Bruckler Theresia, aufgestanden schon um drei, da hat’s noch an Lichtl braucht. Diesmal war der Zug pünktlich, auch ein Wunder, und sie ist gradwegs vom Oben-bleiben-Bahnhof ins Neuner, ins Mineralwasser eini, um halber Zehn für eine Stunde. Das mußte sein, nach- dem wir der Bäuerin und Wirtin aus Matrei (in den Hohen Tauern) soviel erzählt hatten vom gefährdeten Mineralwasser, von Stuttgart21, von der Absicht, die 300 Bäume zu kappen. Mit dem Rucksackl ist die Theresia nach dem Bad durch den Park spaziert, „den sie Euch stehlen wollen, s’ ist a Sünd!“, zu den Zelten gewandert, hat den „Buben“ ein großes Stück Speck dagelassen, aus den Bergen, ist zur Mahnwache, hat sich dort den Weg erklären lassen ins Literaturhaus, zum Demokratiekon- greß21. In der Ecke ist sie gesessen, während 180 von uns zuhörten, Buhhh! riefen oder Bei- fall klatschten. Nein, meinte sie kategorisch, ein Grußwort will sie nicht sagen, „hab’ nie ein Aufhebens gemacht von meiner Person“, da läßt sie sich nicht umstimmen. Sie war bei un- srem Kongreß bis um Vier und ganz angetan, daß soviel Wissen ist in der Stadt. Um nichts in der Welt wollt sie sich zum Bahnhof bringen lassen. Damit Sie, die den Bürgerbrief 53 nicht kennen, wissen, wer die Theresia ist: Die Theresia ist 70 und eine der ganz Tüchtigen unter den Frauen von Matrei und Kals in Tirol, wo wir sie im Sommer getroffen haben. Vor allem dem Widerstand der Frauen dort ist es zu danken, daß im größten Natur- schutzgebiet Europas noch die Adler fliegen und daß die Apostel des Fortschritts ihren Schwanz einziehen mussten, wie’s die Frauen herb und klar sagen. Sie haben gewonnen, gegen die vereinte Macht der Medien, gegen die vereinte Clique aus Profiteuren, Investoren und gekauften Mandatsträgern….
Der Demokratie-Kongreß war eine Fundgrube der Information,der fairen Debatte, auch wenn wir uns am Ende nicht einig waren, denn es gibt ihn nicht, den einzig richtigen Weg zur Wahrheit. Auch wir werden den Stein der Weisen nicht im Nesenbach finden. Aber alle waren sich einig: Die Volksabstimmung wer- den wir nutzen, um im ganzen Land das zu tun, was die Medien meistens versäumt haben. Eine zusammenfassende, scharfe und ehrliche Kritik am Milliardenprojekt S21, das mit vielerlei Tricks durch die Parlamente gejagt wurde, eine saubere Darstellung der Fakten, von denen viele nicht mal den Befür- wortern bekannt sind, eine Kosten-/Nutzen- Analyse, bei der den Wahlberechtigten die Haare zu Berge stehen werden und die Augen aufgehen. CDU und FDP (letztere noch im Parlament) halten das „Austiegsgesetz“ für verfassungswidrig – pfeifen aber auf die Ver- fassung, indem sie sich weigern, dies gericht- lich klären zu lassen. Ihr Entenklemmer!
„Die Finanzierungsvereinbarung zu S21 leidet unter einem schweren Geburtsfehler: Es fehlt eine verbindliche Regelung für den Fall, daß Mehrkosten über 4,526 Milliarden entstehen (worauf Peter Grohmann seinen Bauladen samt Inhalt verwettet!) Die Deutsche Bahn wäre dann nicht verpflichtet, das Projekt auf eigne Kosten zu vollenden.Von dieser Rechts- lage geht das S-21-Kündigungsgesetz aus. Die Volksabstimmung mit der Aussage, das Land wird nicht über 4,526 Milliarden hinaus nachfinanzieren, wäre eine Täuschung der Wähler. Wäre freilich Schusters Katze bereits in den Sauerbrunnen gefallen, also zu weit gebaut, könnten Land und Stadt gezwungen werden, den Scheiß selber zu bezahlen. Auf www.juristen-zu-stuttgart21.de/ wird die ganze Sauerei so richtig deutlich. Das Fazit? Seriös sieht anders aus. Unser Ministerpräsident Schmiedel (sorry: Kretschmann) soll sich bitte einfach noch mal seinen Amtseid genau an- sehen und (nach den Nachrichten aus Berlin) ein Weilchen die weh-weh-weh-Juristen21. Soviel Zeit muß sein. Nicht, daß er dann sagt, ich hätte ihn nicht gewarnt. Peter Grohmann

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz