BürgerInnenbrief 157

O’zapft is!“, liebe Bürgerinnen und Bürger! Nach der Bayernwahl gestern sind viele wieder nüchtern und auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Die eingebildete Mitte bis rechts hat bei guter Wahlbeteiligung 60% eingefahren, mit Gottes Hilfe, und da habe ich SPD und Grüne einfach mal links der Mitte angesiedelt, damit es nicht so weh tut. Dass die Chancen nicht gleich verteilt sind, die einen mehr Zuwendung durch die Medien erfahren und mehr Mäuse haben, ist ja nur die halbe Wahrheit. Die andre Halbe muss noch eingeschenkt werden: Den Bayern, die zur Wahl gehen, geht’s meist gut, und die, die zu Hause bleiben, erwarten nichts Gutes mehr. Wenn man die CDU/CDU) kopieren will, muss Kujau heißen, gut sein, glaubhaft und besser als das Original. Wer aber vor einer Wahl schon die Hosen voll hat daher und nicht mehr aufstehen kann, kann doch nicht auf einen Stimmenumschwung rechnen! Wer alle Hoffnung hat fahren lassen, lockt doch keinen Hund mehr hinter dem Ofen vor. Landtags- oder Bundestagswahl: Hat da irgend jemand bei den Parteien Visionen? Schimmert da irgend wo was von Aufbruch durch? War da, als es heiß wurde beim Thema Giftgas, irgendwas zu hören von Alternativen, vom Aufruf zum Protest gegen den drohenden Weltenbrand? Klimawandel, Fukushima, soziale Abstiege, Geldentwertung, Syrienflüchtlinge: Bloss nichts anfassen, bloß keinen beunruhigen. Deutschland geht’s gut, auch wenn’s bei uns nicht allen gut geht. Da will man nicht gefragt werden, woher denn der Wohlstand kommt und ob wir einfach weiter so, unbeschwert und mit Merkel und Seebrück auf’m Rücken, durch die Zeiten segeln können, von Wahl zu Wahl. Soviel sollte uns inzwischen klar sein: Das von vielen propagierte Wachstum wird ein Ende haben, da beißt keine Maus den Faden ab. Doch für den Aufbruch in die anderen Zeiten, für übermorgen, fehlen Ideen, Akteure, Fantasie! Das gilt im Kleinen wie im Großen, für den Stadtteil wie für die ganze Stadt, für die Nachbarn nebenan und im nächsten Land. Die neuen Bürgerbewegungen, egal wo, sind da ein Hoffnungsschimmer. Sie zeigen uns, dass wir unsere Wünsche und Forderungen nicht delegieren können, an wen auch immer, sondern als Bürger der Welt aktiv werden müssen, kritisch und wachsam gegen die Macht der Manipulateure. Statt grenzenloses Wachstum Hunger nach Gerechtigkeit, statt „weiter so“ in die Sackgasse Denkwerkstätten und Debatten, Demokratie gegen Dogmatismus.

„Unser“ Großprojekt Stuttgart 21 ist ja da ein Musterbeispiel, wie demokratische Regeln außer Kraft gesetzt werden, wie mit fadenscheinigen Argumenten, Halbwahrheiten und Lügen den Menschen ein X für ein U vorgemacht wird. Regierung und Politik haben sich, so kommt’s mir vor, komplett verrannt im Gipskeuper. Wenn freilich unsere Vertrauten von gestern sagen, „Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an?“, dann paaren sich Dummheit und Ignoranz. mit Kurzsichtigkeit.

Wir brauchen Verlässlichkeit und Vertrauen – sonst könnt Ihr uns gern haben!
Man kann im Leben, sogar im eignen, jeden Tag dazulernen. Es ist keine Schande, zu anderen und besseren Einsichten zu kommen.Wir haben angenommen, daß die Instrumente, die wir uns da erobert hatten, tauglich sind und eine faire Möglichkeit, uns als Bürger zu beteiligen, uns zu hören. Fakt ist allerdings, dass da nicht mit „gleichen Waffen“ gekämpft wurde, dass ihr uns eben nicht gehört und schon gar nicht zugehört habt. Ihr habt Euch die Ohren zugehalten, Zahlen verheimlicht, Informationen versteckt. Ihr habt die Risiken kleingeredet und uns das Maul verboten, wie jetzt bei der GWM-Anhörung. Nun sind wir, die Bürgerinnen + Bürger, bei Stuttgart 21 zur Einsicht gekommen, dass es bei der Wahl und der Volksabstimmung, bei Stresstest und Schlichtung nicht mit rechten Dingen zuging, salopp gesagt: Undemokratisch. Deshalb fehlt der Volksabstimmung auch die Legitimation – ganz abgesehen davon, dass erstens 2 +2 vier ergibt, auch wenn 90 % der Bevölkerung sagen würden: Nein, 21. Auch deshalb stehen wir heute noch hier. 2 + 4 = 4. Und ab Montag wählen wir Die AnStifter. Die mit der anderen Meinung als Ihr Peter Grohmann

Über Fritz Mielert

Fritz Mielert, Jahrgang 1979, arbeitete von 2013 bis 2017 als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Davor betreute er ab 2011 bei Campact politische Kampagnen im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, engagierte sich in der AG Antragsbearbeitung der Bewegungsstiftung, baute ab 2010 maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war ab 1996 mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv.