Täuschen und tarnen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Täuschen und tarnen – Grohmanns "Wettern der Woche"

Fürst Grigori Alexandrowitsch Potjomkin, ein guter Freund meiner Omi Glimbzsch in Zittau, war unter Katharina der Großen verantwortlich für deren leibliches Wohl, aber auch fürs „Bevolken“ des Schwarzmeergebietes durch Bauern und Bürgerinnen. Bei einer Stippvisite durch die Krim nahm die einäugige Zarin Potjomkins Arbeit in Augenschein. Was sie sah, erfreute sie, aber ab hier gehen die Meinungen auseinander. Der schöne Potjomkin habe lediglich bemalte Hausfassaden an den Straßenrändern aufstellen lassen, um die Zarin mit seinen Erfolgen zu bezirzen. Alles Lüge? Wer weiß.

So oder so – beim Täuschen ist Vorsicht geboten! Nehmen wir die Briten: Charles III. hat beim Krönungsfest eine falsche Krone getragen, die echte war ihm zu schwer, denn er hatte beim Probetragen sofort Kopfweh. Keiner hat’s gemerkt, und das Königshaus lehnt mir gegenüber jeden Kommentar ab. Allein das spricht Bände!

Ein weiteres Beispiel: Als Royalisten verkleidete Linksschurken hatten sich dieser Tage in London unter die feiernden Massen gemischt, um im geeigneten Augenblick den Thron zu besteigen. Die Verkleidung war so stümperhaft, dass sie sogar vom Volk persönlich durchschaut wurde. Die Krönungsverbrecher wurden umgehend nach Belmarsh verfrachtet. Im härtesten Knast Englands wird man ihnen auf nachdrückliche Weise Benehmen beibringen.

Und bei uns? Viele Menschen in Deutschland gingen ja nach dieser elenden Niederlage am 8. Mai 1945 jahrzehntelang davon aus, dass wir gar nicht befreit, sondern nur besiegt und (bis heute) besetzt worden seien – alles eine Folge von Verrat, taktischen Fehlern, General Paulus, den Juden und dem russischen Winter. Sie erzählten das jahrelang ihren Kindern und Kindeskindern. Lehrer:innenmangel und das Schulsystem tun das ihre, und nun ist es, wie es ist.

Bei den Potemkinschen Dörfern von heute versteht man vor allem Bahnhof und muss vorsichtig sein, um nicht als Putinversteher entlarvt zu werden. Im Krieg selbst hatten die überlebenden Soldaten (nur damals!) die gegenseitige Abschlachterei satt und wollten schnellstens heim zu Muttern und dort Revolution machen. Doch heim ging’s nur über die Bahnhöfe. Zu Hause angekommen, ließ man sich (wegen seelischer Gesundheit und dem grausamen Krieg) umgehend das alte X für ein neues U vormachen: Kreuzfahrten, Flugreisen, Coca-Cola, AfD, Schweinshaxen, SUV, Einfamilienhaus, Außengrenzen, Helene Fischer, N-Worte. Die Revolution hat bis heute Langeweile.

„Das ganze System beruht auf der Idee, dass man der Mehrheit alles einreden kann, solange man es laut und oft wiederholt. Und es funktioniert“, sagte Edward Snowden. Das entlastet selbst die ärmsten Seelen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.