Wettern
Schnauze!

Schnauze! – Peter Grohmanns "Wettern" vom 15.7.2015

Wie schön: Reporter ohne Grenzen verklagt den BND wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses. Dass da kein Abgeordneter draufgekommen ist? Die Klage ging ans Bundesverwaltungsgericht Leipzig. Die Journalisten hielten diese Nachricht wohl eher für sich – kaum was zu lesen in der Tagespresse. Sind die Reporter nicht nur grenzen-, sondern auch konkurrenzlos? ROG wirft dem Bundesnachrichtendienst vor, den E-Mail-Verkehr der Organisation mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen im Zuge seiner strategischen Fernmeldeüberwachung ausgespäht zu haben. Dies beeinträchtige massiv die Arbeit von ROG und verletze die Interessen der Organisation. Für zahlreiche Journalisten aus Deutschland und aus autoritären Staaten wie Usbekistan, Aserbaidschan oder China ist ROG ein regelmäßiger und wichtiger Ansprechpartner, an den sie sich mit schutzwürdigen Anliegen oder vertraulichen Informationen wenden. Die Ausforschung der Kommunikation durch den BND bedeutet jedoch, dass sich die Journalisten mit ihren persönlichen Anliegen nicht mehr darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt.

Empört ist jetzt auch Gerhard Schröder, weil er (das bleibt unter uns!) immer noch abgehört wird. Dabei hatte der Sozi doch in seinen besten Zeiten ausgezeichnet mit den eigenen und den US-Geheimdiensten kooperiert: Abhören war en vogue. Nach neuen Informationen wird auch Papst Franziskus abgehört – selbst seine Klagen gegen den Neokolonialismus und über die Verbrechen der Kirche – OK, das war vor mehr als 500 Jahren – bleiben den Demokratie-Diensten nicht verborgen. Vermutlich werden auch die Gespräche mit dem lieben Gott abgehört.

Meine Omi Glimbzsch aus Zittau hatte kein Telefon, konnte also nie abgehört, sondern nur beobachtet werden. Einer ihrer Lieblingswitze: „Rebbeleben, Ihr sagtet neulich, Gottes Auge sieht überall hinein. Auch in meinen Keller?“ „Ja, auch in deinen Keller.“ „Oj, Rebbe, schon verloren! Ich hab‘ gar keinen Keller.“

Was sagt uns das? Handy wegschmeißen? Oder Schnauze halten? Bringt beides nichts: Die V-Leute des Verfassungsschutzes werden uns als Täter vom Dienst alles nachsagen – auch das Nichtgesagte. Und straffrei bleiben, nicht nur bei übler Nachrede über Schröder und Co. Mehrheitswille.

Peter Grohmann schreibt sein Wettern der Woche für die Wochenzeitung Kontext – für lau.

Anmerkung des Säzzers: Wie die Täter vom Dienst Unschuldigen problemlos z.B. Kinderpornografie unterjubeln können, die sich dann ganz zufällig findet, zeigen die jüngsten Wikileaks-Enthüllungen. Der Kinderpornografie-Vorwurf ist bei Hacking-Software quasi standardmäßig mit an Bord.

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz