Ein bisschen Freiheit?

Liebe Leut,

erst werden Demonstrationen in Dresden mit Verweis auf die Sicherheitslage untersagt, dann in Leipzig. Natürlich ist es oberflächlich betrachtet schön, wenn die Straße frei von rechtsradikalen Parolen bleibt. Doch dahinter steckt ein enormes Problem: Wenn es Schule macht, dass Stadtverwaltungen mit Verweis auf angebliche Personalknappheit oder sonstige Sicherheitsaspekte das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aushebeln können, dann sind wir mit dem Abbau der Freiheitsrechte schon weit gekommen.

Noch besser läuft’s mit dem Abbau, wenn man an mehreren Ecken und Kanten ansetzt. Auf europäischer Ebene sind wir mit dem klaren Bekenntnis des Parlaments zur Einführung der Fluggastdatenspeicherung (deren Nutzen bei der Verhinderung von Verbrechen bekanntlich immer noch unbewiesen ist) einen guten Schritt vorangekommen. In der Folge der Sammelwut werden vermehrt Algorithmen im Auftrag der beteiligten Staaten unser Leben durchleuchten und uns , was ein Pech, zu unrecht beschuldigen.

Wie hohl die Bürokratie schon dreht, ist momentan in Großbritannien zu beobachten. Dort bat die Polizei Verkaufsstellen der ersten Charlie Hebdo-Ausgabe nach den schrecklichen Attentaten, doch bitte alle Namen aller Käuferinnen und Käufer zu notieren – es könnten ja Terroristen unter ihnen sein.

Etwas weniger direkt geht die bayerische Polizei mit ihrer Software zur Vorhersage von Straftaten (“Predictive Policing”) vor. Diese in Algorithmen gegossenen Vorurteile, die unter dem Stichwort Racial Profiling im Polizeialltag gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz verstoßen, hat nun sogar der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte sein Placet gegeben.

Derweil lamentiert der Chef des “Verfassungsschutzes” in der Taz über die Schwierigkeiten, die seine Behörde durch die Verschlüsselung von Kommunikation hat. Nicht, dass er so weit ginge, ein Verbot von Verschlüsselung zu fordern, doch Zugriff will er unbedingt.

Dass der Überwachungsstaat in der Vergangenheit auch ohne diesen Zugriff aber auch schon blendend funktioniert hat, hat Prof. Foschepoth schon auf unserer Friedensgala im November angedeutet. Für den 23. Februar haben wir ihn erneut eingeladen, um uns ab 19:30 Uhr im Württembergischen Kunstverein unter dem Titel “Die NSA-Affäre. Vorläufiger Höhepunkt der Massenüberwachung in der Bundesrepublik” seine wichtigen Erkenntnisse zu vermitteln.

Herzliche Grüße

Fritz Mielert & Peter Grohmann (der am heutigen Freitag ab 20 Uhr zur Erinnerung an Dresden im Weltcafé liest)

PS: Für alle, die mit dem Gedanken spielen, an einer Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses teilzunehmen (Termine, Montag u.a. mit Laabs & Aust), haben wir Protokolle der letzten beiden Sitzungen online gestellt und kommentiert.
PPS: Gewettert wurde über rauchende Colts und den Prügelpapst
PPPS: Vom ukrainischen Bergarbeiter Pavlo Lysianskyi haben wir einen Mitschnitt online
PPPPS: Die Leute vom Lern- und Gedenkort Hotel Silber sind sauer – zurecht wie wir finden
PPPPPS: Haben wir schon Ihren Vorschlag zum Friedenspreis? Noch bis zum 1. März haben Sie Zeit, Ihre Ideen unter vorschlag@stuttgarter-friedenspreis.de einzuspeisen.

Über Fritz Mielert

Fritz Mielert, Jahrgang 1979, arbeitete von 2013 bis 2017 als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Davor betreute er ab 2011 bei Campact politische Kampagnen im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, engagierte sich in der AG Antragsbearbeitung der Bewegungsstiftung, baute ab 2010 maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war ab 1996 mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv.