BürgerInnenbrief 159

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Wer den größten Pinsel besitzt, ist noch lange nicht der beste Maler, das zeigt sich auch am 30. September 2013. Die großen Pinsel denken in diesen Tagen angestrengt darüber nach, was man tun muß, um Staatssekretär oder Minister zu werden – unter Frau Merkei, und alles andere ist egal. Die glattgebügelten Parteien unsrer Zeit sagen unverhohlen: Wir können mit allen ins Bett, und das ist Demokratie. Na schön – aber mit uns könnt Ihr offenbar nicht, und auch nicht mit den Rot-Roten. Es zeigt sich, nach Wahlen, Volksentscheid, Volksbefragung, dass da doch noch einiges an Gesprächsbedarf ist. In Sachen Bürgerdialog ist man nicht weiter gekommen, in Sachen einer Novellierung der Verfassung auch nicht. Die großen Pinsel dieser Tage sind dabei, die Welt frisch anzustreichen : Neue Tünche auf die alten Wände, damit man die Gemeinheiten, die auf uns warten, nicht ganz so schnell erkennen kann. Vielleicht irre ich mich, schön wär’s. Doch ich denke, daß im Hintergrund der Politik die größte Wirtschafskrise aller Zeiten auf uns wartet, mit neuer Geldentwertung für die kleinen Leute, mit Null-Zins auf Sparguthaben, mit Kaufkratfverlust. Mit ultraniedrigen Zinsen kämpfen die Notenbanken gegen die Krise, allen voran die USA. Das billige Geld soll die Finanzmärkte ruhigstelien, nun hat es sie euphorisiert. Aktien oder Anleihen – da pumpen sich gewaltige Spekulationsblasen auf. Sobald die Zinsen wieder steigen, droht der Crash. Dann kommen sicher sehr hässliche Zeiten.

Die kleinen Leute, die heute schon nicht von ihrer Hände Arbeit leben können, brauchen für morgen starke Nerven und viel Geduld beim Essenfassen in den Armenküchen. Die etwas größeren Leute, die etwas auf die hohle Kante gelegt haben, können heute schon zuschauen, wie ihr Vermögen kleiner wird. Zur der einen hausgemachten Katastrophe – sie hei ßt System – kommt die andere: Der Klimawandel in der Welt. Der Bericht dazu wird zum Teil so heftig kritisiert, daß man sich über die Blinden im Lande noch mehr wundert wie bei der Wahl der volksnahen Angela Merkel. Jetzt wissen wir, warum : Das American Enterprise Institut zahlt Forschern jeweils 10.000 Dollar für einen (!) Artikel, mit dem sie den Weltklimabericht „widerlegen“. Dazu kommen Reisekosten und Spesen. Na, da ist er ja wieder, der gute alte Pinsel – diesmal als Rasierpinsel, mit dem man uns kräftig einseift.

Abwarten und Tee trinken gilt nicht! Und es gilt auch nicht, das katastrophale Wahlergebnis schönzureden, bei dem unsre Stuttgart-21-kritisehen Gruppen eins auf die Mütze bekamen. Es mag ja sein, daß für viele Wähler Stuttgart21 nicht auf der Tagesordnung stand – aber muß man da gleich CDU wählen? Man kann es wenden und drehen wie man will: Wir haben zwar ein ausgezeichnetes Blatt auf der Hand, sind aber nicht in der Lage, es richtig auszuspielen. Richtig, wir sind eine starke Bürgerbewegung, die im schwarzen Lande ihresgleichen sucht. Wir ‚wissen längst, daß es beim Bahnhof nicht nur um unten oder oben geht, sondern auch um sehr viel Geld. Immobilien, Investitionen, Demokratie. Einen besseren Bahnhof wollen alle, aber der muß nicht unten sein. Allen Prognosen und Versprechungen mißtrauen wir: Die Bundestagswahl zeigt uns, daß Programme eben mal ein Nasenwasser wert sind, wenn’s um die Macht geht Wir haben gesehen, wie schwer es ist, dem Mainstream der Medien und der herrschenden Politik etwas entgegenzusetzen. Dabei haben wir doch alles: die besseren Ideen, interessante Alternativen, ausgezeichnete Fachleute auf allen Gebieten, Engagement und Ausdauer.Jetzt sollt‘ es doch gelingen ,angesichts des Stillstands im Lande, mit Fantasie und vereinten Kräften unsre besten Seiten zu zeigen. Die liegen nicht da, wo wir den Menschen den Feierabend versauen , weil sie nicht rechtzeitig nach Hause kommen, sie liegen aber z.B. in einem heiteren, klugen und ideenreichen Protest am Einheitstag, der die Leute zum Lachen oder Nachdenken bringt. Flagge zeigen – und ein Lächeln. So gewinnt man Aufmerksamkeit und Freunde. Die Sonderfahrt „Stuttgarter Stern“ war doch ein herrliches Beispiel, wie man den Macht- und Rechthabern zeigen kann, was wir drauf haben. Danke jedenfalls allen , die gemeinsam seit Jahr und Tag für eine gute Sache streiten! Ihr Peter Grohmann

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz