Stuttgarter Stolpersteininitiativen schreiben Landgericht

Frau
Präsidentin des Landgerichts
Cornelia Horz

Sehr geehrte Frau Präsidentin Horz,

wir wenden uns an Sie als Mitglieder der Stuttgarter Stolperstein Initiativen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Erinnerung an die vom NS-Regime Ermordeten wach zu halten. Auch für Opfer der NS-Strafjustiz haben wir Stolpersteine verlegt, so etwa für Adolf Gerst, dessen Gerichtsverfahren in unserem 2006 erschienen Buch „Stuttgarter Stolpersteine – Spuren vergessener Nachbarn“ ausführlich dokumentiert wurde. Viele von uns haben am 19. Juni 2013 an der Gedenkveranstaltung für den im Hof des Landgerichtes hingerichteten Viktor Kunz teilgenommen, den Urgroßvater der Filmemacherin Carmen Eckhardt.

Sehr befremdet waren wir über die Haltung des Landgerichts zu dieser Veranstaltung. Denn das Landgericht Stuttgart hat gegenüber der Landeshauptstadt Stuttgart – Versammlungsbehörde – die Zustimmung zu einer Veranstaltung der AnStifter am 19.Juni 2013 zwischen 17.30 und 18.30 Uhr auf dem Platz an der Verfassungssäule (Vorplatz des Landgerichts) verweigert.
Zur Begründung wurden Bedenken hinsichtlich der Wirkung der Veranstaltung auf Prozessbeteiligte und hinsichtlich der Sicherheit des Gerichts geltend gemacht.
Die Versammlungsbehörde sah sich daraufhin veranlasst, die Versammlung auf dem genannten Platz nicht zuzulassen.
Wir können die Haltung des Landgerichts und die dafür angegebenen Gründe nicht nachvollziehen.
Die Veranstaltung diente dem Gedenken an die mindestens 423 Opfer der Hinrichtungsstätte der Justiz in der NS-Zeit,. die sich in einem Lichthof des 1944 zerstörten früheren Justizgebäudes befand.
Stellvertretend für diese Opfer sollte das Schicksal eines Hingerichteten von einer Familienangehörigen dargestellt werden.

Seit 1994 befindet sich an der niedrigen Mauer zur Urbanstrasse folgende Inschrift:

Den Opfern der Justiz im Nationalsozialismus zum Gedenken
Hunderte wurden hier im Innenhof hingerichtet
Den Lebenden zur Mahnung

Die Veranstalter hatten nichts anderes im Sinn, als dieser Mahnung zum Gedenken Folge zu leisten, allerdings an einem sowohl authentischen wie symbolträchtigen Ort: auf dem Justizgelände und unter der Verfassungssäule.
Derartige Veranstaltungen zur Auseinandersetzung mit der schrecklichen Altlast der deutschen Justiz sollten daher von der Justizverwaltung nicht nur nicht behindert, sondern gefördert werden.
Die geltend gemachten Bedenken dürfen nicht zu einer Art Bannmeile für Gerichtsgebäude führen. Bei gutem Willen auf beiden Seiten lassen sie sich ausräumen oder doch auf ein aus Ihrer Sicht unschädliches Maß minimieren.
Im Hinblick auf allfällige künftige Gedenkveranstaltungen an diesem Ort bitten wir um Ihre Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Die Stuttgarter Stolpersteininitiativen

Über Fritz Mielert

Fritz Mielert, Jahrgang 1979, arbeitete von 2013 bis 2017 als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Davor betreute er ab 2011 bei Campact politische Kampagnen im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, engagierte sich in der AG Antragsbearbeitung der Bewegungsstiftung, baute ab 2010 maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war ab 1996 mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv.