Tag des Flüchtlings 2012

Kleine Rede am 28.9. 2012 beim AK Asyl Stuttgart, DGB-Haus,
für das Bürgerprojekt Die AnStifter

Liebe Leute aus der ersten und der letzten Klasse,
ich grüße Sie und Euch alle von den AnStiftern!

Es will es heute kurz machen und ein paar Schlagzeilen vorlesen.
Es sind Schlagzeilen, traurige Nachrichten aus dieser Welt,
es sind Nachrichten, bei denen man in unserem Lande gern weghört.

Denn Sie sollten wissen: Wir haben auch große Sorgen.

Wohin mit unserem Atommüll? Warum nicht nach Afrika?
Wohin mit unserem Elektroschrott? Warum nicht nach Indien?
Wir sorgen uns momentan um unsere Quellen.

Ihre Quellen haben wir längst selbst gekauft –
oder zum Versiegen gebracht. Ihre Flüsse haben wir vergiftet
bei der Suche nach Bodenschätzen.

Wir sorgen uns um unsere Bäume.
Ihre haben wir längst abgeholzt. Sie stehen jetzt in unserem Wohnzimmer.

Wir sorgen uns um freie Information in diesem Lande,
auch wenn wir nicht genau hinhören. Um eine unabhängige Presse.
Ihre Zeitungen haben wir längst abhängig gemacht und gekauft.

Es gibt Schlagzeilen, die wir nicht gern hören.

Wie diese hier:
Düstere Aussichten in Sahel
Sexualisierte Gewalt in Mali
Oder diese:
Bestürzung über den Uranabbau in Brasilien
Oder die da:
Große Not auf den Philippinen
Katastrophen in Pakistan
Nothilfe für die Opfer in Syrien
Kurdische Kinder durch von türkischen Soldaten bedroht
Oder diese hier:
Nationalsozialistischer Untergrund NSU:
Deutscher Verfassungsschutz hat Nazis finanziert.
Haben vom Staat bezahlte Spitzel gemordet?

Oder die:
Weltweite Kriegsverbrechen
und die:
Hunger treibt die Menschen auf die Flucht
und die
Wasserprivatisierung in Indien – die eigene Quelle gestohlen
Bürgerkrieg in Guatemala
und die
Wer arm ist, stirbt früher
und die
Deutsche Konzerne lassen Urwald-Pflanzen patentieren
Oder diese hier von heute:
Waffen von Heckler & Koch sind die besten

Das, liebe Freundinnen und Freunde, sind die Schlagzeilen dieser Tage.

In Hunger, im Elend, in der Verfolgung aus politischen, ethnischen,
religiösen oder politischen Gründen liegen die Ursachen ihrer Flucht.
In Hass, Gewalt, Intoleranz,
in der Verächtlichmachung des Andersdenkenden –
sei er nur Jude oder Moslem, Christ, Buddhist oder Atheist.

Manchmal will der weiße Mann gar nichts von Ihnen persönlich – er will nur Ihr Land, ihren Acker.
Oder Ihre Bodenschätze.
Ihren Wald. Ihr Wasser.
Ihre Bergwerke. Ihre Flughäfen

Dann kommen die größten Traktoren der Welt:
Gallardo, 24 Liter Hubraum.
Dann kommen die größten Mähdrescher der Welt.
Die größten LKWs.
Dann kommen die größten Waldrodungsmaschinen,
denen kein Regenwald standhält.

Und dann kommen Sie, die heute mitten unter uns sitzen.
Manchmal haben es Menschen wie Sie, wenn Sie Glück hatten,
durch den Stacheldraht geschafft, den wir in Nordafrika verlegt haben.
Oder sie schaffen es durch die Minenfelder. Wir haben gestern die Minen geliefert, heute liefern wir die Minensuchgeräte.
Sorry: Sie müssen beides bezahlen.

Wenn Sie Glück haben, erwischen Sie für Ihre letztes Geld ein armseliges Boot, dass sie nach Lampedusa bringt. Wir sorgen dafür, daß Sie nicht weiterkommen. Das Sie hängen bleiben in der Ignoranz der Demokratie,
in der Feindseiligkeit der westlichen Staaten, in der Dummheit der
Bürokratien.

Wenn Sie kein Glück haben, werden sie von unserer Grenztruppe Frontex erwischt. Oder in Athen von Rechtsradikalen durch die Altstadt gejagt und zusammengeschlagen.

Wenn Sie kein Glück haben, warten sie auf dem Frankfurter Fughafen,
komplett isoliert, 2 Jahre lang auf besseres Wetter in ihrer Heimat.

Sie hatten Glück. Sie sind hier.

Wir freuen uns. Und wir wollen gemeinsam dafür eintreten,
daß Sie vernünftig untergebracht sind.
Wir wollen dafür eintreten, daß Sie reisen können.
Wir wollen dafür eintreten, daß Sie ihre Stimme erheben können.
Wir wollen dafür eintreten, daß Sie für sich, für Ihre Familie,
das Brot selbst verdienen können, das Sie essen.
Wir wollen dafür eintreten, dass Sie arbeiten dürfen.
Wir wollen dafür eintreten, daß Sie Asyl bekommen,
– und daß Sie Asyl behalten. Daß Sie nie Angst haben müssen, in
jene Länder abgeschoben zu werden, aus denen Sie kommen.

Wir wollen dafür eintreten, daß Sie gleichberechtigt in diesem Lande leben können.
Wir wollen dafür eintreten, daß sich die schlechten Zustände ändern.
Daß man hinhört, daß man hinschaut.

Und dass Sie willkommen sind in einem der reichsten Länder der Erde.

Als Mensch unter Menschen.

Peter Grohmann
29.9.2012

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz

Ein Gedanke zu „Tag des Flüchtlings 2012

  1. Mir schmerzt mein Herz, ich kann es kaum ertragen. Wir müssen uns zusammen schließen. Stuttgart ist der Anfang.
    http://aufbruch-gold-rot-schwarz.net ist ein Zusammenschluss von Initiativen in ganz Deutschland. Dann verbünden wir uns mit Europa und mit der ganzen Welt. Gemeinsam sind wir stark.
    Liebe, Licht, Gesundheit und Freiheit für Alle.

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