Wettern der Woche
Wenn’s stinkt

Ein ganz schicker Flughafen, schick wie Berlin eben. Berlin ist dort, wo die öffentlichen Toiletten verkommen und die Straßen Löcher statt Pflaster haben und wo die ganz große Welt zu Hause ist. Aber sie muß erst mal ankommen, und da legt die Welt eben Wert auf einen anständigen Flughafen, sonst bleibt sie zu Hause. Zugegeben, auch im reichen Stuttgart stinken die öffentlichen Toiletten, und wir sind hier im Herzen einer der reichsten Regionen Europas. Da fällt Gestank nicht so auf, weil wir Volksfest und Weinfest haben und Fischmarkt und Flohmarkt – es vermischt sich. Glauben Sie nicht? Dann komm’ Sie doch mal riechen!

Die Sache mit den stinkenden Klos ist nicht neu. Als den sozialdemokratischen Kommunarden das Geld ausging, haben sie ihre öffentlichen Bedürfnisanstalten, Schulen, Wasserwerke und Trafostationen verkauft, das Geld der Deutschen Bank zur Spekulation übergeben und vom Gewinn die Miete für die Schulen bezahlt. Das Modell war so einleuchtend, dass es vom alten Bertelsmann persönlich hätt’ sein können – es überzeugte (nicht nur in Dresden) sogar die roten Brüder von der Linkspartei, sondern auch die christlichen und liberalen.

„Dumm gelaufen“, wie meine Omi Glimbzsch aus Zittau gerne sagten, wenn die Milch anbrannte. Denn mit dem Gewinn wurde es bekanntlich nischt, deshalb mußte man wieder zur Bank rennen und den Rest vom Tafelsilber verscheuern. Die genossenschaftlichen Wohnungen beispielsweise – kein Problem, wo sich doch eh’ niemand mehr gern als Genosse anreden läßt.

Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen! Das ist Karl Marx pur. Wer in der großen Welt mal muß, erledigt man seine Bedürfnisse bei Mc Clean oder wie der Kerl heißt (oder ist das dieser Auto-Wasch-Fatzke mit dem Lohndumping?), – nee, ich meine den anderen, den rail & fresh! Da stinkt’s nie – da riecht’s wie Schwarzwald und Wannsee in einem! Aber es kostet eben. Pro Pinkeleinheit einen Euro. Da wird ein Konfirmantenbläsle teuer.

Nicht nur der Hartz-IV-Empfänger (als Mann) pinkelt bei den Events der großen, weiten Welt aus Kostengründen und weil’s pressiert wie bisher, ob in Stuttgart oder Berlin, in Sichtweise von Familie, Freundes- oder Kollegenkreis hinter den nächstbesten Baum, und wenn der abgeholzt ist, tut’s auch das nächstbeste Mäuerle.
Erstens ist es dringend, zweitens will er sparen, wie seine Kommune. Oder soll er sich
lieber in die Hose machen? Na also!

Peter Grohmann

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz