Bürgerbrief 51

Liebe Bürgerinnen und Bürger, Sie können mich von mir aus verkehrt herum am Rathausturm aufhängen – aber ich bleibe dabei: S21 ist ein Müllprojekt. Piepegal, was die so genannte Schlichtung und ein manipulierter Streßtessssst ergeben! Den Streit der Experten kann man sich schenken. Insofern wäre es mir auch vollkommen egal, ob im neuen U-Bahnhof drei Züge mehr oder zehne weniger fahren: Die Milliarden sind in den Wind geschossen!Völlig unabhängig von allen Zahlen gilt doch – erstens: Wenn auch nur die geringste Gefahr für’s Mineralwasser besteht, darf das Ding nicht gebaut werden, fertig. Und zweitens: Kein einziges Bahn- und Bauprojekt in den letzten 10Jahren ist je zum kalkulierten Preis fertig geworden! Was, bitte, soll dann das Geschrei, bei 4,4 oder 4,8 Milljarden sei aber Schluß? Geschenkt! Der Moloch wird – wetten? – das Dreifache verschlingen, wenn das reicht – das wissen alle, die eine amtliche Statistik gelesen und alle, die je die öffentliche Hand geschüttelt haben: Hinterher fehlt der Geldbeutel, vielleicht auch die Hand. Ach, was war da nicht noch alles Gegenstand des so genannten Schlichterspruchs! Ja, haben Sie denn auch nur im Traum daran geglaubt, daß bei einer Realisierung des Projekts die 300 alten Bäume gerettet werden können? Sehnse sich mal diese naturgewaltigen Kraftprotze an, die die grüne Lunge im Stuttgarter Feinstaubkessel ausmachen! Die Spruchbeutel haben uns doch tatsächlich weismachen wollen, diese Urgetüme mit zum Teil sechs Metern Umfang und einem 15 Meter breiten Wurzelwerk könnte man eben mal auf einen Hänger laden und am Monte Scherbelino wieder einpflanzen. Bei denen wachsen ja nicht mal die Stiefmütterchen am Elterngrab richtig an. Ganz abgesehen davon, daß man die halbe Stadt abtragen müßte, wenn man mit dem Hängerle auch nur zum Wasen wollte! Noch einmal, zur besseren Verdauung: Auch diese 300 Bäume (ja, von mir aus, es sind nur 284) sind sozusagen unverzichtbares Element, sind das Herzstück unseres Widerstands! Die 32 000 Parkschützerinnen und Parkschützer lassen grüßen.
Ich sag’ Euch folgendes: Egal, ob Frau Dahlbender oder unser Hannes A, B oder C sagen – die Presse wird uns immer ein X für ein U vormachen! Für die sind wir immer der Buhmann! Schaut Euch doch an, mit welcher Häme uns ein großer Teil der Kommentatoren überschüttet, egal, was wir tun oder sagen! Schaut doch, wie schwer es allein schon Stuttgarter Zeitung fällt, mal selbst zu recherchieren, wie viele Züge im Kopfbahnhof heute schon verkehren! 39? Oder 44? Oder gar 54? Nichts einfacher als das: Die Wahrheit herauszufinden, anhand bekannter Fahrpläne. Aber das wäre ein Sakrileg, Gotteslästerung, da würde ja die gute alte Tante StZ das ganze Projekt in Frage stellen! Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Zeitungen sollen uns nicht nach dem Maul reden, sie können uns von mir aus in Grund und Boden schreiben. Aber sie sollen gefälligst ihre Aufgabe als vierte Gewalt wahrnehmen! Das wäre ein Streßtest in Sachen Demokratie. Muß es denn wirklich immer Herr Luik sein, der die Luigen herausfindet, der neue Dokumente aus der Baugrube fischt, in der sich das schmutzige Grundwasser sammelt? Warum so gut wie kein Ton zu jenen 16 Kilometer langen „blauen Rohren“, warum nicht mal eine anschauliche Fotocollage? Ihr könnt’s doch! Warum nichts zu den hunderttausend Rammstößen, mit denen der Untergrund gepfählt werden soll? Warum nicht mal einen seriösen Kostenvergleich bei Bahnprojekten statt Agitation von Peter Grohmann? Darum: Weil Ihr nicht einmal in der Lage seid, selbständig zu ermitteln, wie viele Menschen gestern Wecker, Wader und Zierock gehört haben. 500? 5000? Mein Rat: Zählen lernen. Damit wir uns richtig verstehen: Anständig bezahlte Journalisten zählen besser, weiß Ihr
Obenbleiber Peter Grohmann

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz