Erklärung der AnStifter-Initiative Sant’Anna vom 29.9.2015 (PDF):
Häußler siegt – Justitia hat verloren
Kein Prozess in Deutschland gegen die Täter von Sant‘Anna
Einen Prozess gegen die Täter von Sant’Anna di Stazzema wird es nicht geben. Durch dieses bittere Faktum sehen wir uns in unserer Kritik an der Stuttgarter Justiz bestätigt. Das jahrelange Verschleppen der Ermittlungen und der mangelnde Strafverfolgungswille der Stuttgarter Staatsanwälte sind ursächlich für das Scheitern der Bemühungen um eine strafrechtliche Aufarbeitung des Massakers von 1944. Wir sehen unsere Kritik auf eindrucksvolle Weise vom Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigt . Es hat im August 2014 die Stuttgarter Einstellungsverfügung aufgehoben und in der Begründung u.a. ausgeführt, Häußler und seine Kollegen hätten sich Beurteilungen angemaßt, die ihnen nicht zustünden , und „den bloßen Möglichkeiten eines den Beschuldigten S. entlastenden Tatgeschehens … zu großes Gewicht beigemessen“. Außerdem sei – im krassen Gegensatz zu der Annahme Häußlers – davon auszugehen, dass die Aktion „ von vornherein auf die Vernichtung der Zivilbevölkerung von Sant‘ Anna dl Stazzema gerichtet“ gewesen sei.
Wir sehen es als tragische Verknüpfung, wenn die danach zuständige Staatsanwaltschaft Hamburg einerseits weitgehend der Linie des Gutachters Dr.Carlo Gentile folgte, der von der Nebenklage beauftragt worden war und den Stuttgarter Staatsanwälten zahlreiche, zum Teil fundamentale Fehler nachgewiesen hatte, und wenn sie andererseits mit Verweis auf die gutachterlich bescheinigte Verhandlungsunfähigkeit des Beschuldigten das Verfahren einstellte.
Letzteres hat nach unserer Auffassung die Stuttgarter Justiz zu verantworten: Die politische Abteilung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft unter Oberstaatsanwalt Häußler, die schlampig und zeitverschwendend letztlich mehr zugunsten der Beschuldigten ermittelte als gegen sie. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, v.a. deren Leiter Pflieger, die der Staatsanwaltschaft Rückendeckung gab und die Dienstaufsicht nur mangelhaft wahrnahm. Und die zuständigen Justizminister, v.a. Goll und Stickelberger, die von ihrem Weisungsrecht keinen Gebrauch machten.
Noch nicht ganz geklärt ist, ob nicht auch Kurt Schrimm, der scheidende Leiter der Ludwigsburger Zentralstelle, schon vor seiner dortigen Amtsübernahme als Vorgänger Häußlers ein Ermittlungsverfahren hätte einleiten können oder müssen, und zwar mindestens gegen einen der Täter, der sich 1999 öffentlich selbst belastet hatte. Auffallend ist, dass er den Fall Sant’Anna in den zahlreichen Bilanzinterviews der letzten Zeit weitestgehend ausgeklammert hat – bis auf eines: In der Stuttgarter Straßenzeitung trott-war vom Juli 2015 solidarisierte er sich ausdrücklich mit der Einstellungsentscheidung Häußlers von 2012: „Ich meine, dass der Kollege, den Sie jetzt meinen, dem Gesetz entsprechend gehandelt hat. In Italien gelten andere Gesetze und andere Voraussetzungen für ein Urteil. Der Kollege hat sehr sorgfältig ermittelt und kam am Ende zu dem Ergebnis, dass es nach deutschem Recht nicht ausreicht. Ich teile diese Auffassung.“
In einem Offenen Brief und einem weiteren Schreiben konfrontierte die Initiative Schrimm mit der umfassenden Kritik des Karlsruher Oberlandesgerichts an Häußler und der Bezugnahme der Staatsanwaltschaft Hamburg auf den Gutachter Dr.Gentile. Schrimm antwortete: „Als Privatmann steht es Ihnen selbstverständlich frei, von den sich widersprechenden Entscheidungen die Ihnen genehme herauszusuchen. Ich sehe allerdings keine Veranlassung, mich für meine persönliche Meinung bzw. meine angeblichen Äußerungen gegenüber Dritten vor Ihnen zu rechtfertigen.“
Für uns stellt die Reaktion Schrimms einen weiteren Affront gegenüber dem Militärgericht von La Spezia und gegenüber den Opfern des Massakers dar. Darüber hinaus beschädigt er mit der kritiklosen Übernahme der Haltung Häußlers die wichtige Arbeit und den guten Ruf der Mitarbeiter_innen der Ludwigsburger Zentralstelle, der er persönlich noch vorsteht. Schließlich sehen wir in seiner Antwort den Ausdruck einer überwunden geglaubten Arroganz staatlicher Funktionsträger gegenüber zivilgesellschaftlichen Gruppen, in diesem Fall eines prominenten Juristen gegenüber einer Initiative, die zumindest kleine Erfolge erzielt hat beim Versuch, Versäumnissen der deutschen Justiz, v.a. der baden-württembergischen, etwas entgegenzusetzen: Unterstützung der Opfer in ihrem Kampf um Gerechtigkeit, Worte und Zeichen der Solidarität mit ihnen.
Nach dem Versagen der deutschen Justiz sind unsere Gedanken und unser Mitgefühl bei den Überlebenden und Angehörigen der Opfer von Sant’Anna: Wir erklären uns solidarisch und teilen ihre Gefühle der Enttäuschung und des ohnmächtigen Zorns.
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