Pressemitteilung „Kein Prozess in Deutschland gegen die Täter von Sant‘Anna“

Pressemitteilung

Häußler siegt – Justitia hat verloren
Kein Prozess in Deutschland gegen die Täter von Sant‘Anna

Die Nachricht war verfrüht „Massaker von Sant‘ Anna bleibt ungesühnt“ (n-tv 28.5.2015). Am 26.5.2015 hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen gegen den früheren Untersturmführer der Waffen-SS Gerhard Sommer eingestellt. Unbeachtet blieb, dass zu diesem Zeitpunkt die Rechtsmittel, die der Nebenklage zustanden, noch nicht ausgeschöpft waren. Dementsprechend hat Rechtsanwältin Heinecke (Hamburg) Anfang Juni im Auftrag des Überlebenden Enrico Pieri Beschwerde eingelegt, um die Staatsanwaltschaft mit Hilfe der Aussage eines Zeugen zu weiteren Ermittlungen über das tägliche Verhalten des Herrn Sommer zu bewegen. Da sich der Zeuge zurückzog und ein Gutachten vorlag, in dem der Beschuldigte als dauerhaft verhandlungsunfähig beurteilt worden war, hielt die Staatsanwaltschaft an der Verfahrenseinstellung fest und die Generalstaatsanwaltschaft wies Anfang August die Beschwerde zurück. Ein Klageerzwingungsantrag mit dem Ziel, gegen einen Verhandlungsunfähigen die Erhebung der Anklage zu fordern, machte daher keinen Sinn mehr, Anfang September ist die Frist verstrichen. Damit steht –wenn nicht gravierende neue Tatsachen zutage kommen – fest, dass es eine strafrechtliche Aufarbeitung des Massakers von Sant’Anna di Stazzema vor einem deutschen Gericht nicht geben wird. Am 12.8.1944 waren dort ca. 560 Zivilisten von der Waffen-SS grausam umgebracht worden.

Erklärung der AnStifter-Initiative Sant’Anna (29.9.2015)
Vorbemerkung:
Die Stuttgarter AnStifter-Initiative Sant’Anna hatte sich Ende 2012 in der Reaktion auf die Einstellung der Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft zusammengefunden und damals erklärt: „Wir schämen uns und sind empört über den Umgang der Stuttgarter Justiz mit den deutschen Kriegsverbrechen in Sant’Anna di Stazzema. Im Jahr 1944 ermordete die SS 560 Menschen in dem italienischen Dorf Sant’ Anna di Stazzema, vor allem Frauen und Kinder. Die Täter sind von einem italienischen Gericht verurteilt, aber frei. Die Überlebenden fordern Gerechtigkeit… vergeblich. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft – zuständig Bernhard Häußler – hatte das Verfahren im Oktober 2012 eingestellt. Damit bleiben die Täter auf freiem Fuß. Wir Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts – und darüber hinaus – sind empört über den Umgang der Stuttgarter Justiz mit den Kriegsverbrechern.“

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Stimmen zum Thema:

  1. „Deutschland stellt den letzten lebenden SS-Offizier nicht vor Gericht“ – titelte in Bezug auf Sant’Anna die italienische Zeitung Il Fatto Quotidiano, zeitlich korrekt am 22. September.Sie zitiert den 77-jährigen Überlebenden Enio Mancini, der mit Blick auf Rechtsanwältin Heinecke erklärt: „ Ich kann ihr nur danken für alles, was sie seit zehn Jahren für uns getan hat. Es gab zuletzt nur noch einen Hoffnungsschimmer, aber keine konkrete Möglichkeit mehr. Der ‚Tod‘ war gewissermaßen ‚angekündigt‘, wie wenn ein Patient krank ist und man nur noch auf seinen Tod wartet. Ich habe den Verdacht, dass diese deutschen Staatsanwälte ganz bewusst alles unternommen haben, damit dieser Prozess sich von selbst auflöste, dass sie gehofft haben, die Verantwortlichen würden sterben oder ganz unzurechnungsfähig werden, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden”.
  1. Und Rechtsanwältin Heinecke schreibt an die beiden Überlebenden Pieri und Mancini:
    „Herr Sommer ist inzwischen 94 Jahre alt. Ich bedauere es für euch und für uns, dass er nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden wird. Politisch und moralisch hätte ich gewünscht, dass er nicht davonkommt. Aber ich glaube, dass der Kampf um die Erhebung der Anklage in Deutschland in den letzten 10 Jahren einen eigenen Sinn gehabt hat. Mit seiner Öffentlichkeit hat der „Fall Sant’Anna“ viele Menschen mit den nie verfolgten grausamen deutschen Verbrechen konfrontiert und sie zum Nachdenken und zum Engagement gebracht. Die Aktivitäten der Stuttgarter „Anstifter“ ist dafür ein großartiges Beispiel. Euer jahrelanger Kampf und euer unerschütterliches Engagement gegen den Krieg, für die Völkerfreundschaft und für den Frieden hat euch in vielen Ländern größten Respekt und Bewunderung eingebracht. Ich danke euch dafür.“
  1. Die Worte von Ministerpräsident Kretschmann, die er vor zwei Jahren, am 10.11.2013, an die Träger des Stuttgarter Friedenspreises Enrico Pieri und Enio Mancini und ihre etwa fünfzig Begleiter_innen richtete, sind unverändert akut:
    „Was am 12. August 1944 in Ihrem Heimatort geschehen ist, war ein bestialisches Verbrechen. Hunderte unschuldiger Menschen, Kinder, Frauen und ältere Leute, wurden von deutschen Soldaten, Einheiten der Waffen-SS, umgebracht. Ein ganzes Dorf sollte ausgelöscht werden. Und es ist empörend, dass bis heute kein einziger Täter, kein Kommandeur und Vorgesetzter, kein einziger Soldat, der an diesem Verbrechen beteiligt war, dafür eine Strafe verbüßen musste. Die juristische Aufarbeitung und Verfolgung ist vor allem für Sie, die Überlebenden und Angehörigen der Opfer, sehr enttäuschend. Wer wollte das nicht verstehen!“