NSU-Untersuchungsausschuss
Protokoll der Befragung der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus

In der vierten und gleichzeitig ersten öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses „Die Aufarbeitung der Kontakte und Aktivitäten des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und die Umstände der Ermordung der Polizeibeamtin M. K.“ des baden-württembergischen Landtags am Freitag, den 23.1.2015 wurde Heino Vahldieck, Hamburger Senator a. D. und Mitglied der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus, befragt. Er berichtete hauptsächlich aus dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013.

Die nächste Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses findet am Montag, den 26.1.2015 ab 10 Uhr im Provisorium des baden-württembergischen Landtags statt.

Bei dem folgenden Protokoll handelt es sich um eine sinngemäße Wiedergabe.

Drexler
$Begrüßung
Heute keine Entscheidung über Vereidigung des Zeugen, da rechtliche Unsicherheiten bestehen. Zeuge kann auch im Nachhinein vereinigt werden.

Vahldieck
$Personalien
War Chef des Hamburger Verfassungsschutzes

Drexler
Ziel der Befragung ist es u.a. die Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörden zu klären

Vahldieck
Situation Ende 2011
Mindestens 3 NSU-Tater
Politik musste schnell handeln
Deshalb Einsetzung der Kommission
Fragen: Wie konnte es dazu kommen? Gab es Fehlverhalten von Behörden?
Kommission arbeitete ab Anfang Feb 2012
Von Politik bestimmt, aber nicht vom Tagesgeschehen abhängig
Besetzt mit nicht mehr aktiven Politikern

Unterstützt wurden sie durch Mitarbeiter aus dem Innenministerium und Mitarbeiter aus den Ländern
Kommission sollte keine Zeugen befragen sondern nur vorhandene Erkenntnisse auswerten
Gespräche mit MA von Sicherheitsbehörden + UA Bund, Bayern, Thüringen, Sachsen, GBA
Bericht im Mai 2013 an IMK
Danach Prozess in Munchen, Bt-UA
Kommission im Medien Schatten
Zwischenbericht IMK Mitte und Ende 2012
In Ruhe gearbeitet
Konsens angestrebt
Mitglieder sehr unterschiedliche Herkunft
Keine Hierarchie, kein Sprecher
Bericht 400 Seiten, persönliche Bedenken der Kommissionsmitglieder wurden zurückgestellt
Konkrete Gesetzesvorschläge erarbeitet
Kein generelles Sytemversagen
An vielen Stellen Kommunikationsprobleme, einzelnes Versagen
Behörden nicht auf dem rechten Auge blind
Reformvorschläge wohl noch nicht umgesetzt, aber kein Wissen
Hatte aber auch nur wenig Hoffnung darauf

Drexler
Gab es Versäumnisse bei Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden im Fall von Heilbronn?

Vahldieck
Einzelne Taten waren Grundlage der Arbeit der Kommission, wurden aber nicht untersucht
Heilbronn fiel aus dem Rahmen
Selbe Tatwaffe wie in anderen Morden (AdR: wird später richtiggestellt)
Südländer
Wattestäbchen
Besitze nur gehobenes Zeitungswissen über die Tat

Drexler
Hat Frage der Sicherheitsarchitektur Baden-Württembergs eine Rolle gespielt?

Vahldieck
Die einzelnen Länder haben keine Rolle gespielt
Kommission hat den Versuch unternommen, Strukturen zu erkennen
Sachsen und Thüringen im Fokus
Insbesondere das Untertauchen, die entdeckte Garage mit Rohrbombe
Eine wichtige Frage war, ob die Sicherheitsbehörden eine Chance hatten, die Untergetauchten zu fassen
Keine spezifischen Aussagen zu Baden-Württemberg

Drexler
Warum sind Infos nicht nach Baden-Württemberg geflossen oder warum wurden sie dort nicht ausgewertet?

Vahldieck
Schlechte Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden
Im Bewusstsein der Behörden muss sich etwas ändern
Alte Beamte, die z.T. eine Aura nach dem Motto versprühten „Toll, dass wir es wissen. Das reicht auch“
Kein Bewusstsein, dass Wissen geteilt werden sollte
Quellenschutz als wichtiges Engagement

Drexler
Der Bericht der Kommission fordert einen besseren Informationsfluss zwischen den Verfassungsschutzbehörden und den Polizeibehörden.
Das Bundesverfassungsgericht hat aber erst vor kurzem die Wichtigkeit der  Trennung hervorgehoben.

Vahldieck
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde erst nach dem Abschlussbericht der Kommission verkündet.
Das Trennungsgebot ist richtig, es darf aber nicht dazu führen, dass Informationen nicht weitergeleitet werden.
Auch der Quellenschutz darf nicht dazu führen, dass Infos nicht weitergegeben werden

Drexler
Wie war die Zusammenarbeit Kommission mit den Behörden Baden-Württembergs?

Vahldieck
Der Arbeitsstab der Kommission hat am laufenden Band in Ländern um Akten gebeten, geprüft, ob diese geliefert wurden und ob sie auch ausreichten.
Es fand keine Auswertung nach Kooperationsbereitschaft statt.
Manchmal 3x nachhaken. Nicht im Fall von Baden-Württemberg, was u.a. daran lag, dass das Land genügend Personal bereitstellte.

Pröfrock
Kommission: 68 Schnittstellen zwischen Behörden, nur eine in Zusammenhang mit Baden-Württemberg
Stand Baden-Württemberg nicht im Vordergrund?

Vahldieck
Heilbronn
Zunächst kein Anhaltspunkt für politisch extremistischen Hintergrund
LfV hat bei Ermittlungen keine Aussagen gemacht
Vielzahl von möglichen Motiven
Dass LfV keine Aussagen gemacht hat, war nicht überraschend, da Heimat der NSU weit entfernt

Pröfrock
Gab es persönlich-atmosphärische Probleme z.B. zwischen LfVs und LKAs?

Vahldieck
Situation in Thüringen besonders
Mit Tino Brandt eine der führenden Figuren der Rechtsextremisten in Baden-Württemberg zum V-Mann machen, ist schon schräg.
Das LfV war damit Chef der Rechtsextremen
Nicht geeignet als V-Mann

Pröfrock
Besonders positive oder negative Punkte bezüglich BaWü?

Vahldieck
Heilbronn fällt aus dem Rahmen
Sehr viele offene Fragen
Andere 9 Fälle: Motiv Fremdenhass nie Arbeitshypothese
Kiesewetter ganz anders
Es wurden immer nur Schutzgeld, Rauschgift, PKK, Herkunft… als Tatmotive angesehen
Niemand, auch ich nicht, hat Fremdenfeindlichkeit aufgeworfen
Profiler haben Fremdenfeindlichkeit einmal herausgearbeitet, sind aber bei Überlegungen im Raum Franken geblieben
Wenn Hypothese Rechtsextremismus vorhanden gewesen wäre, hätte Verbindung zu Banküberfällen hergestellt werden können
Auch Antifa hat diese Hypothese nicht aufgestellt

Filius
Hat die Trennung der Sicherheitsbehörden zwischen Bund und Ländern noch eine Zukunft?

Vahldieck
Schily hat dies schon nach 9/11 gefordert
Kommission: Gewinn, wenn statt 17 nur 1 VS? Nein. Problem war Kommunikation. Z.T. wurden Pflichten nicht eingehalten oder waren nicht vorhanden
BfV muss gesetzlich zur zentralen Sammelstelle werden. Erkenntnisse der Länder müssen an Bund fließen
Nicht Eingemeindung sondern Kommunikation. Sonst Gesamtschau nicht möglich. Rückfluss an Länder wichtig. Nur eine Behörde ist nicht zielführend.
9/11: USA hat FBI. Liegt an Menschen.

Filius
Sollte es keine direkte Kommunikation mehr zwischen Länderbehörden geben?

Vahldieck
Weiterleitung an Bund sollte nur zusätzliche Ebene sein.

Filius
Vorstellungen zu einheitlichen Rahmenbedingungen fur V-Leute?

Vahldieck
BfV betrachtet V-Leute als Kernkompetenz
Man muss sich Hände schmutzig machen
Gilt aber nicht grenzenlos
V-Leute sind politisch grundsätzlich nicht zu lenken
Bei Aufstieg: V-Mann-Führer muss diesen möglichst verhindern. Behörden müssen dieses Handwerk beherrschen
Einheitliche Standards müssen definiert werden. Unmöglich: Sucht, ???, allgemeine Straftaten
In Thüringen hat das nicht geklappt, hoffentlich heute anders

Sakellariou
D.h. nur Negativkriterien
Was ist wichtigste Handlungsempfehlungen an Länder?

Vahldieck
Bericht Seiten 349 & 350
Alle relevant
Keine Priorisierung
VS hat durchaus noch seine Rechtfertigung
VS war im Bereich Rechtsextremismus unterwegs, hat aber nichts mitbekommen.
Institution VS ist von Bedeutung. Ggf. sogar mehr denn je (Islamismus)
Bisher nicht Aufgabe der Polizei
VS muss nach geschärft werden. Dient der Sicherheit des Landes
Keine Zentralisierung -> Information, Kommunikation; Need To Know -> Need to Share
Keine Alternative zu V-Mann-Wesen
Technische Auswertung muss durch menschliche Quellen ergänzt werden
Schaden-Nutzen-Abwägung muss stattfinden
Sorgfalt wichtig. Enge Führung
Wenn dies der Fall ist, ist es ein wichtiges Instrument
Vermeiden von Skandalen nicht die Hauptaufgabe

Sakellariou
Abschließende Priorisierung?
Verdeckte Ermittler?

Vahldieck
Verdeckte Ermittler sind deutlich heikler
Hamburg: gebrannte Kinder u.a. durch Fall Polizeibeamtin im linken Millieu
Ungeheuer schwierig, risikoreich, komplett neue Identität, nicht eine Sekunde aus der Rolle fallen, bis hin zu Tätowierungen
Steht VS und Polizei zur Verfügung
Backoffice mit 5-8 Personen notwendig

Sakellariou
Cheska war in Heilbronn nicht die Tatwaffe

Reith
Zurück zur Ermittlungsarbeit der Kommission
Andere rechtsextremistische Vorfälle in Baden-Württemberg untersucht?
Welches Material ausgewertet?

Vahldieck
Kiesewetter in Heilbronn nicht untersucht
Keine eigenen Zeugenbefragungen
Alles was wir bekommen konnten, haben wir angefordert
Haben alles erhalten, was zu dem Zeitpunkt vorlag
Gespräche mit verschiedensten Stellen sehr hilfreich

Häffner
Im Bericht häufig: Aktenlage gibt nicht mehr her
Gespräche mit Sicherheitsbehörden, um zu erfahren, was jenseits der Akten existierte?
Gespräche mit LfVs?

Vahldieck
BKA, GBA, Abgeordnete UAs von Bund & Länder, Vertreter LfV und Polizei der IMK…
Nicht vertieft in einzelne Mordfälle eingestiegen.
Wäre Überforderung

Unbekannt
Liste der Befragten: Kommissionsbericht S. 24-26

Salomon
Warum wurden bestimmte Informationen zu Wohlleben nur an wenige Ämter weitergeleitet?

Vahldieck
Liste in Bericht
Eindruck der Versender: Interesse nur bei 5 Ämtern vorhanden

Drexler
Spekulationen: LfV hat Ku Klux Klan als Honigtopf aufgestellt.
Darf er so etwas?

Vahldieck
Einschätzung aus der Hüfte
Hätte es nicht gemacht
Keine Aussage zur Rechtmäßigkeit spontan möglich
Honigtöpfe z.B. im Internet immer wieder im Einsatz
Dieser Fall wäre mindestens grenzwertig

Drexler
$Danke
Nun Pressekonferenz und nichtöffentlicher Teil der Sitzung

Über Fritz Mielert

Fritz Mielert, Jahrgang 1979, arbeitete von 2013 bis 2017 als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Davor betreute er ab 2011 bei Campact politische Kampagnen im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, engagierte sich in der AG Antragsbearbeitung der Bewegungsstiftung, baute ab 2010 maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war ab 1996 mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv.

Ein Gedanke zu „NSU-Untersuchungsausschuss: Protokoll der Befragung der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus

  1. super gemacht, das Protokoll, und super durchgehalten beim Zuhören! ich geh meist zwischendurch ins Nirwana, oder hab mit der Akustik ein Problem… danke nochmal.
    Inhaltlich: Jmd, der da in leitender Position mitgemacht hat, hat komischerweise immer am wenigsten neue Erkenntnisse, und kann ich auch nur „Verbesserungen“ vorstellen- und die bringen uns ja auch sooo viel ….*Humor aus*

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