Baustelle öffentliches Leben

Stuttgart im März 2014: Die wichtigsten öffentlichen Gebäude werden wegen Umbau, Ausbau oder Abriss eingezäunt. Der Landtag, das Innenministerium, die ehemalige Stadtbücherei/kommendes Stadtarchiv, das Neue Schloss, die Villa Berg, der Fernsehturm und das Schauspielhaus. Nicht zu übersehen: ein gewisser Hauptbahnhof mitten in der Stadt.

Die Zugänglichkeit zu öffentlichen Gebäuden ist erschwert und die Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Es scheint so als würde das öffentliche Leben still stehen, oder sich zumindest im Umbruch befinden. Aber was für ein Umbruch? Aufbruch in eine neue offene Zivilgesellschaft? Oder bloß Abbruch der veralteten Infrastuktur?

Wie geht es eigentlich weiter mit der Villa Berg? Wenn das Innenministerium ersatzlos abgerissen würde, wer würde sich beschweren? Wer weiß schon wo der Landtag zur Zeit tagt?  Was macht der Anblick all dieser Zäune um öffentliche Gebäude mit den Bewohnern und Besuchern? Darf das Thema überhaupt ästhetisch diskutiert werden? Werden Bauzäune Normalität oder bleiben sie die Ausnahme?

18.000 Baustellen soll es dieses Jahr in Stuttgart geben. Die viel diskutierten Einkaufszentren sind da die Ausnahme. Die Mehrzahl der Baustellen betreffen das öffentliche, das politische, das kulturelle Leben.

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Der baden-württembergische Landtag: komplett umzäunt von Herbst 2013 bis Herbst 2015.
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Das Innenministerium: Wegen Abrissarbeiten eingezäunt. Das neue Innenministerium ist seit März 2013 am Neckartor.
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Das Neue Schloss: immer mal wieder teilweise umzäunt oder eingerüstet. Zur Zeit nur wenige kleine Baustellen wegen Belagarbeiten an der Nordseite. Touristen können das Postkartenmotiv ohne Zäune immerhin von vorne fotografieren.
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Der Wilhelmspalais: Eingezäunt von Januar 2014 bis Juni 2017. Weil die Stadtbücherei ins Stadtmuseum verwandelt wird.
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Die Villa Berg: Eingezäunt und zugenagelt seit 2007. Zukunft ungewiss, wenn sich der Gemeinderat nicht schnell entschließt, das Gebäude zu kaufen.

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Die Stadtbücherei: Als erstes Gebäude im Europaviertel fertiggestellt, lange bevor irgendein anderes Gebäude dort überhaupt angefangen wurde. Seit Oktober 2011 ist die Stadtbücherei geöffnet. Die würfelförmige Architektur, die Gitter-Ästhetik und der graue Beton veranlasst immer wieder Menschen das Gebäude spontan „Bücherknast“ zu nennen. Vielleicht trägt auch die baustellenhafte Umgebung dazu bei. Zäune stehen noch genügend herum.
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Das Schauspielhaus: Seit ca. Oktober 2013 wieder öffentlich zugänglich, bis dahin war drei Jahre ein Zaun drumherum. Da kann es schon mal passieren, dass man ein paar Zaunelemente stehen lässt – aus Gewohnheit.
Außerdem ging in der Oper neulich mal ein Vorhang nicht auf, obwohl er sollte. Jetzt ist die Rede von Grundsanierung. Da hilft nur eins: Zaun rum und los gehts mit den Bauarbeiten.
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Das Leuze: Vorbildlich wurde hier der Zugang für Fahrradfahrer und Fußgänger erschwert. Genauso vorbildlich das Schild für die Umleitung. Auch ansonsten ist das Hallen- und Freibad auf jeder Seite von Baustellen oder Fluß umzingelt.

Was fehlt: Der Fernsehturm ist geschlossen, weil der Brandschutz nicht den modernen Anforderungen entspricht. Kein Zaun drumherum, einfach Türen geschlossen. So gehts auch.
Dann gibt es da noch diesen Stuttgarter Hauptbahnhof. Da stehen so viele Zäune in und um die Gleise und neben den Ausgängen, dass man manchmal gar nicht weiß, wie man raus- und reinkommt. Über den angrenzenden Zaun um den Schloßgarten reden wir jetzt besser nicht. Zu viele Emotionen. (Deswegen auch kein Bild.)

Was bringt die Zukunft? Man könnte auf die Idee kommen, mehr Bauzäune zu fordern, weil es noch öffentliche Gebäude gibt, die nicht umzäunt sind. Das Stuttgarter Rathaus zum Beispiel: was ist da los?