BürgerInnenbrief 166

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
na, werden wir schon wieder nicht ernst genommen? Was soll eine Verlängerung einer Erörterungsverhandlung um einen Tag (12.12.), wenn die bisher unbeantworteten, 35 kritischen Fragen schon wieder keinen Platz auf der Tagesordnung finden? Seit Ende September liegt der entsprechende Fragenkatalog der Netzwerkinitiativen dem Regierungspräsidium vor. Vielleicht ist eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 49 Prozent für Gebäudeschäden im Kernerviertel um die es bei den Fragen unter anderem ging aus Sicht der Bahn wirklich vernachlässigbar. Wir meinen, das hat etwas von Russisch Roulette.

Derweil sucht Walter Sittler gemeinsam mit dem langjährigen Chef von Greenpeace International, Gerd Leipold, Antworten auf andere Fragen – und fordert uns auf, aufzustehen. Heute Abend präsentieren sie ihr neues Burchprojekt „Zeit, sich einzumischen“ im Haus der Wirtschaft. Sie berichten über die weltweiten Proteste zu verschiedensten Themen, die sich im Spektrum zwischen Wirtschaft und Umwelt, dem Kleinen vor Ort und weltweiten Anliegen bewegen. Die Protestierenden prangern Arroganz und Willkür von Finanzjongleuren und korrupten Politikern an und fordern mehr Mitspracherechte ein. Die Bürger des 21. Jahrhunderts seien, nicht zuletzt aufgrund der digitalen Revolution, so informiert und wissend wie keine Generation vor ihnen. Das Buch will eine Momentaufnahme des Transformationsprozesses darstellen und Fragen nach den benötigten politischen Strukturen und ihren Anforderungen beleuchten. Wir dürfen gespannt sein.

Wichtig im Sinne einer emanzipativen Bewegung sind auch die immer stärker werdenden, weltweiten Flüchtlingsproteste, die mit ihrem Camp zwischen den Stuttgarter Konsumtempeln Peek und Cloppenburg und H&M im Sommer auch in unserer Stadt auf die miserable Situation aufmerksam machten. Ein Dreh- und Angelpunkt der hiesigen Flüchtlingsarbeit ist Rex Osa, dem die AnStifter 2013 u.a. durch eine großzügige Einzelspende die Teilnahme an einer Flüchtlingskonferenz in New York ermöglichen konnten. Davor nahm er 2012 am Weltsozialforum über Migration und am International Migrant Tribunal in Manila und am Weltsozialforum nach Tunis teil, wo er sich mit Flüchtlingen weltweit vernetzte. Vor Ort engagiert Rex sich z.B. durch die Gründung von Arbeitskreisen, Workshops, Aufklärung von Migranten direkt in den Füchtlingslagern und auch immer wieder mit größeren und kleineren Kampagnen gegen Abschiebungen und Anhörungen in den Botschaften der Herkunftsländer, weil diese die Voraussetzung zur Abschiebung liefern. Seit kurzem ist Rex Bewegungsarbeiter der Bewegungsstiftung. Wir unterstützen Rex schon regelmäßig – allerdings stehen wir damit bisher relativ alleine. Machen Sie mit!

Wichtig für die Flüchtingsarbeit sind immer wieder auch die Kirchen. Nicht erst seit den Skandalen in Limburg stehen die Kirchen aber immer mehr unter Druck, Transparenz zu erzeugen und demokratischer zu werden. Ein wichtiger Hebel hierfür ist die Kirchenwahl, bei der auch KandidatInnen der Offenen Kirche kandidieren. Am 1. Dezember 2013 wählen evangelische Kirchenmitglieder die Landessynode (landeskirchliches Parlament). Bisher beherrscht eine große konservative Mehrheit die Landessynode. Dies führte z.B. in der vergangenen Legislaturperiode dazu, dass Personalstellen beim Friedenspfarramt, beim Umweltbeauftragten, beim Beauftragten für das Gespräch mit dem Islam sowie Mittel für den christlich-jüdischen Dialog und für den Kernbereich der Evangelischen Akademie Bad Boll – gegen die Stimmen der Offenen Kirche und trotz der Rekord-Kirchensteuereinnahmen 2013 und trotz ausreichender Rücklagen gekürzt wurden.

Atheistisch bzw. agnostisch grüßen:
Peter Grohmann / Fritz Mielert

Über Fritz Mielert

Fritz Mielert, Jahrgang 1979, arbeitete von 2013 bis 2017 als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Davor betreute er ab 2011 bei Campact politische Kampagnen im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, engagierte sich in der AG Antragsbearbeitung der Bewegungsstiftung, baute ab 2010 maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war ab 1996 mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv.