BürgerInnenbrief 164

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
in Berlin ist ein wichtiger Volksentscheid gescheitert. 25 Prozent Zustimmung hätte das Projekt gebraucht, um zu einer Rekommunalisierung der Energieversorgung in Berlin beizutragen. 24,1 Prozent der Abstimmungsberechtigten haben die InitiatorInnen hinter sich gebracht. Dieses problematisch hohe Quorum – in Kombination mit einer Wahl wäre es vielleicht gerade noch erträglich – haben weder rot-rote, noch rot-grüne oder rot-schwarze Regierungen in den letzten Jahren kippen können. Aufgrund fehlender Mehrheiten? Aus Unvermögen? Aus Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern?

Wahrscheinlich eine Kombination aus allem – ähnlich wie bei uns im Ländle. Und doch sollte eine hohe Hürde nie ein Grund sein, den Bettel hinzuschmeißen. Weder bei dem Straßenprotest gegen Stuttgart 21 noch bei den laufenden Bürgerbegehren zu S21 und der Energieversorgung Stuttgarts.

Politik bewegt sich langsam. Zu langsam, sagen einige von uns. Zu stark in falsche Richtungen, sagen andere. Privatisierung, Entsolidarisierung, Verhinderung der Energiewende, Rechtsradikalismus, Totalüberwachung. Da kann einem schon die Brezel hochkommen.

Doch wir stehen hier, um für den Moment gewappnet zu sein, in dem die Politik wieder anfängt nachzudenken – sei es wegen Hangrutschungen, Sparmaßnahmen oder einer göttlichen Eingebung. Wir werden dann in die Kerbe hauen und den Unsinn dann doch noch stoppen. Das sind wir uns und den nach uns folgenden Generationen schuldig.

Und bis der Moment kommt: Lasst uns die vielen anderen Themen nicht aus dem Blick verlieren. Es gibt so viele Probleme – in Stuttgart und in der weiten Welt. Die Montagsdemos bieten uns eine optimale Möglichkeit, uns auszutauschen und weiter zu vernetzen.
Wenn wir es richtig nutzen, wird den Mächtigen aller Couleur noch ganz schwindelig werden.

Wir wurschteln derweil weiter an den Projekten 100 Jahre erster Weltkrieg, Am Rechten Rand Europas und Machbare Utopien und natürlich an der FriedensGala kommenden Sonntag (heute werden die letzten 150 Plätze zum Verkauf freigegeben). Wenn Sie wollen, wurschteln Sie mit!

Z.B. beim Empfang unserer italienischen Gäste am Samstag, den 9. November gegen 20 Uhr am Theaterhaus bzw. dem Hotel gegenüber. Enrico Pieri, weitere Überlebende des NS-Massakers in Sant‘Anna di Stazzema und Verwandte, Freunde und bekannte werden dann nach 12 Stunden endlich aus ihrem Bus klettern. Und wir wollen ihnen ein Ständchen auf Italienisch singen:

Gio-ia gio-ia ben-be-nu-ti a-mi-ci a Stoc-car-da
Gio-ia gio-ia ben-be-nu-ti a-mi-ci a Stoc-car-da!
Gran pia-ce-re, gran o-no-re sa-lu-tar-vi a Stoc-car-da
Ben-ve-nu-ti voi a-mi-ci a Stoc-car-da!

Freude, Freude, herzlich Willkommen Freunde in Stuttgart
Freude, Freude, herzlich Willkommen Freunde in Stuttgart!
Große Freude, große Ehre, wir begrüßen Euch in Stuttgart.
Herzlich Willkommen Freunde in Stuttgart!

Melodie von Freunde schöner Kopfbahnhöfe, oder, wie es früher hieß, Freude schöner Götterfunken.

Trällern Sie mit – auch, wenn man von Ihnen wie von uns behaupten sollte, Sie könnten nicht singen. Alles nur Gerüchte.

Herzlich grüßen:
Peter Grohmann / Fritz Mielert

Über Fritz Mielert

Fritz Mielert, Jahrgang 1979, arbeitete von 2013 bis 2017 als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Davor betreute er ab 2011 bei Campact politische Kampagnen im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, engagierte sich in der AG Antragsbearbeitung der Bewegungsstiftung, baute ab 2010 maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war ab 1996 mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv.