Danke, Baden-Württemberg
Abschiebungen von Roma aus den Balkan-Staaten

Flüchtlingsräte fordern Aussetzung von Abschiebungen über den Winter

Am 18. Oktober gab es wieder Sammelabschiebungen in den Kosovo ab Baden-Airpark Karlsruhe (organisiert vom Regierungspräsidium Karlsruhe) und ab Düsseldorf. Am 13. November gab es eine von FRONTEX koordinierte internationale Sammelabschiebung ab Flughafen Stuttgart – auch mit acht Flüchtlingen aus Baden-Württemberg an Bord.

Roma-Familien, die seit vielen Jahren in Deutschland gelebt haben, werden von Abschiebung bedroht, trotz des bevorstehenden Winters. Der Petitionsausschuss des Landtags lehnte am 26. Oktober (dem Tag der Enthüllung des Denkmals für Sinti und Roma in Berlin) die Petition für eine siebenköpfige Roma-Familie (die seit 13 Jahren in Deutschland lebt) aus dem Kosovo ab – ohne die Antragsteller über den Termin und das Ergebnis zu informieren. Im Alb-Donau-Kreis wurde eine Roma-Familie aus Serbien mit der Abschiebung bedroht, weswegen die Mutter einen Selbstmordversuch unternahm.

Neu ankommenden Roma-Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien wird im öffentlichen Diskurs nach alter Manier „Asylmißbrauch“ unterstellt. Realitäten der massiven Diskriminierung und des sozialen Elends in den Herkunftsländern werden als Problem der Herkunftsregionen abgetan. Ein aktiver Minderheitenschutz und eine europäische Sozialpolitik sollte anders aussehen. Salbungsvolle Worte wie bei der Einweihung des Denkmals zur Verfolgung der Sinti und Roma reichen nicht aus, sondern werden unglaubwürdig, wenn gleichzeitig diskriminiert und abgeschoben wird.

Den Roma aus Serbien und Mazedonien, die über den Sommer in gestiegener Zahl Asylanträge in Deutschland gestellt haben, wird von konservativen Politikern und Medien „Asylmißbrauch“ unterstellt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz wird in dieser Diskussion als bloßer neuer Migrations-Pull-Faktor denunziert statt dessen menschenrechtlichen Gehalt zu würdigen. Während viele Flüchtlinge aus klassischen Fluchtländern lange Zeit auf ihre Asylentscheidungen warten müssen, werden die Roma bevorzugt in Schnellverfahren abgelehnt und viele sind bereits von Abschiebung bedroht.

Für die Landespolitik in Baden-Württemberg bedeutet dies: Die mit dem hohen Anspruch „Humanität hat Vorrang“ (Koalitionsvertrag) angetretene der grünrote Landesregierung muss jetzt zeigen, wie sich ihre Politik von der ihrer Vorgängerregierung positiv unterscheidet.

Jürgen Weber ist Journalist und AnStifter. Er schreibt uns zu diesem Thema:

Hallo zusammen,

nach einer Recherchereise nach Ungarn, Polen und in die Tschechische Republik habe ich im vergangenen Sommer auf meinem Blog eine Reihe „Diskriminiert und vertrieben – Roma in Europa“ begonnen. Was lag nun näher als vor Ort in Konstanz weiter auf Spurensuche zu gehen (siehe Anlage oder unter www.juergenweber.eu ).

„Diese Kinder wollen sich doch nicht wie Fußbälle fühlen, die man von einen Ort zum andern kickt“, so der 29-jährige Roma Sahid H. aus Belgrad. Er weiß wovon er spricht, wurde er doch in seiner Schulzeit als Jugendlicher aus Freiburg bereits einmal abgeschoben. In die Sonnenhalde- und Geschwister-Scholl-Schule gehen derzeit die in der Konstanzer Gemeinschaftsunterkunft lebenden Roma-Kinder aus Serbien und dem Kosovo zur Schule.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich stellt sich aktuell in einer pauschal diskriminierenden Weise gegen die Roma-Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien. Die grün-rote Landesregierung schiebt nahtlos zur Praxis ihrer Vorgänger – ungeachtet der sich zuspitzenden Lage staatlicher Diskriminierung und offen rassistischer Pogrome gegen Roma – von Baden Airport und Flughafen Stuttgart weiter ab. Selbst in den Kosovo, wo kein menschenwürdiges Leben für Roma möglich ist.

Eine Lobby haben diese Menschen also kaum, außer wir schaffen diese regional. Eine Möglichkeit dazu wird es auf folgender Veranstaltung geben:

è Mittwoch, 19. Dezember 2012, 19.00 Uhr, Treffpunkt Petershausen, Konstanz. Frau Dr. phil.

Karin Waringo vom Romaverband Chachipe e.V., Luxemburg, spricht über Fluchtgründe von Roma aus dem Balkan.

Hier einige Hinweise auf weitere Informationen aus meiner Reihe:

Bericht zu einer Veranstaltung mit Herbert Heuss vom Zentralrat der deutschen Sinti und Roma (September 2012):

http://www.juergenweber.eu/pages/posts/herbert-heuss-keine-strategie-dafuer-zunehmend-korruption-128 .php?p=6

Interview mit Eszter Jovanovics von der Hungarian Civil Liberties Union (Juni 2012):

http://www.juergenweber.eu/pages/posts/eszter-jovanovics-im-gespraech-119.php?p=12

Reportage zu Roma in Ungarn (Juni 2012):

http://www.juergenweber.eu/pages/posts/rechtsradikale-in-ungarn-setzen-nationale-roma-strategie-um-1 10.php?g=27

Herzliche Grüße,

Jürgen Weber

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz