Bürgerbrief 65

Liebe Bürgerinnen und Bürger, „noch 5 Minuten, dann kommen die Täubchen zum Aschenputtel“. Im Ludwigsburger Märchengarten sind selbst die Tauben pünktlich und flattern von überall her zu Aschenputtels Futterteller, wenn sie diese Aufforderung über die versteckten Lautsprecher hören. Dressiert, gedopt, gut gezogen wie Pawlowsche Hunde. Zielsicher picken die Täubchen dann die Guten raus, fürs Kröpfchen – und lassen die Schlechten liegen – fürs Töpfchen der Habenichtste. Was dachten Sie denn?
Demokratie hat nun eben auch mal hier und da Nachteile, selbst für die Polizei, die nicht weiß, wie sie ihre Leute unterbringen kann. Und so könnte der D-Day – der Tag nach der Volksabstimmung – aussehen (Änderungen vorbehalten): Erstens eine sehr freundliche Aufforderung, den Schloßgarten binnen 24 Stunden zu verlassen. Danach Sperrung aller Aus- und Eingänge zum Schloßgarten, verstärkte Personenkontrollen im Innenstadtbereich, Passierstellen durch den Park. Zugleich allgemeine , umfassende personenbezogene Platzverweise. Gerichtliche und polizeiliche Räumungsanordnungen für alle Zeltbewohner, für die Parkwache und „Unseren Pavillon“. Umfassende provisorische Absperrungen mit Bändern, zeitgleich mit einem 3,20 m hohen, stabilen und fest verankerten Metallzaun rund um den Fäll- und Baubereich. Einseitige Sperrung der Unterführungen bis zur Sicherung der Baumaßnahme. Jeweils 3000 Polizisten im Schichtwechsel sichern die angekündigten Maßnahmen. Zusätzliche Zivilstreifen, Einsatzteams des Verfassungsschutzes (sofern es in Sachsen und Thüringen momentan nix zu tun gibt) auf Patrouille in der Stadt. Überwachung von Mail-/Telefonverkehr gerichts- oder polizeibekannter Personen. Eine flächendeckende Dokumentation (Foto und Video) durch die Einsatzkräfte. Sperrung von Straßen und Plätzen um Umfeld der Schloßgarten. Kontrollen, Überwachung und Zugangserschwernis im Hauptbahnhof, zeitweilige Sperrung (Zugang nur für Bahnreisende mit gültigen Fahrausweisen). Überwachung aller Hauptverkehrsstrecken und S-Bahnbereiche. Verstärkte Streifenfahrten. Offen ist noch die Unterbringung – daher werden für die 9 000 Polizisten zum geplanten Finale Hotelbetten gesucht. Vorschlag: Entweder gemeinsames Zelten mit den Freunden des Kopfbahnhofs vor den Banken – der Polizist als solcher ist ja auch von der Krise betroffen! Oder eben das gemeinsame große Camp21 mit unseren Gewalttätern, Gesetzesbrechern, Berufsdemonstranten und Rentnern. Achtung: Rentner sind deutlich zäher als die meisten Polizisten. Rentner haben schon Filbinger, Späth, Oettinger und Mappus überlebt!
Sollten die Container keine Heizung haben – no Problem! Die zu Hause wartenden Frauen stricken wie beim WHW warme Wollsocken aus fair geschorener Wolle – für alle, von wegen Demokratie. In die Container steckt man dann immer einen radikalen Parkschützer und einen schlagfertigen Polizisten. Wer den andren überzeugt, wird freigelassen. Ein Horrorszenario? Ein Sieg des Volkes am 27.11.2011? Ein Märchengarten? Weiß Gott. Wenn es demnächst etwas radikaler zugehen sollte in der Stadt und Sie irgendwer vielleicht ermuntert, Zäune einzureißen wie seinerzeit am 20. Juni (als die Polizei dem Treiben der Täter grinsend zuschaute) oder Feuerle zu legen: Es könnte sich am ehesten um jemanden aus dem großen, gewaltigen „Apparat“ handeln: Verdeckte Ermittler, Verfassungsschutz. Letzterem trau ich alles zu – nach dem Demokratieversagen auch noch das Staatsversagen. Deutschland, paß bloß auf! Ansonsten bin ich auf die Medien gespannt, so oder so brauchen wir eigene! Kommen Sie am 15.11. zu Kunst, Kultur und Knete in den Schillersaal der Liederhalle – ein Fest für die 21einundzwanzig mit Walter Sittler und Dacia Bridges und Ihrem Krakeeler vom Dienst – Peter Grohmann (Ja zu 21einundzwanzig)

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz