Zur Premiere im Stuttgarter Schauspielhaus
DER KIRSCHGARTEN von Anton Tschechov

(Ende 3. Akt, in der Übertragung von Thomas Brasch)

Lopachin:(…) Ich habe ihn gekauft…Wir kamen zur Versteigerung…ich habe neunzigtausend über die Schulden geboten, da gehörte er mir. Jetzt ist es mein Kirschgarten. Meiner (bricht in schallendes Gelächter aus) Herr, du mein Gott, der Kirschgarten gehört mir. Glauben Sie mir, dass ich besoffen bin…

Mit der Vergrabung der Stuttgarter Stadtmitte für einen Tiefbahnhof soll der mittlere Schlossgarten planiert werden und ein teilweise zweihundertjähriger Baumbestand abgeholzt werden –

(Ende 4. Akt, Regieanweisung) Man hört einen entfernten Laut, wie vom Himmel herunter, der Laut einer zerrissenen Saite. Stille. Von fern Äxte, die einen Baum fällen.

Die Lopachins heute? Kann man doch nicht vergleichen! Gebildete Leute mit demokratischer Anbindung, z.B. Dr. Ing.Martin Herrenknecht, Vorstandsvorsitzender der Herrenknecht AG, europäischer Marktführer bei Tunnelbohrmaschinen; Aufsichtsratsvorsitzender ist Lothar Späth, der gleichzeitig Vorsitzender von „Pro Stuttgart“ ist – Dr. Michael Blaschko, Geschäftsführer von Bilfinger und Berger, eine der größten Baufirmen in Deutschland – Michael Knipper, Hauptgeschäftsführer vom Hauptverband Deutsche Bauindustrie – die Landesbank BW erwartet Sanierung durch das Projekt, nachdem sie drei Milliarden verzockt hat – usw.

nein, von den politisch Verantwortlichen, die diese demokratische Anbindung für Stuttgart 21 gestatten, wollen wir nicht weiter sprechen, hat doch Herr Oettinger jüngstens in diesem Schauspielhaus seine Herkunft aus einem liberalen Elternhaus betont –

(vielleicht Herr Drexler, „Mr. Stuttgart“ und Vizepräsident des Landtags (SPD), LieblingsSozi der hiesigen CDU, der den Widerstand gegen Stuttgart 21 in der Halbhöhenlage Stuttgarts, also bei den Besserverdienenden, geortet hat!)

nein, die Lopachins sehen heute anders aus, und sie kaufen nicht, sie „verkaufen“ öffentliches Eigentum –

Lopachin. (wie oben)…Kommt alle her, hier könnt ihr sehen, wie Jermolaj Lopachin die Axt durch den Kirschgarten tanzen lässt. Hier werden Landhäuser gebaut und unsere Enkel und Urenkel werden eine neue Welt vorfinden. Musik.Musik!

„5000 neue Bäume“ und ein neues Stadtviertel und überhaupt eine „neue Heimat Stuttgart“ verspricht eine Zigtausend teure Werbekampagne zum Gezwitscher einer Blaumeise. Unsere Enkel und Urenkel werden den Schatten hundertjähriger Platanen suchen müssen, während die Lopachins ihr „schallendes Gelächter“ als Zombies in ihren Gräbern husten. „Musik.Musik!“

Der Premiere von DER KIRSCHGARTEN einen anregenden Erfolg!

Eine Anregung für kommende Montage: Montagsdemonstrationen gegen diese schöne „neue Welt“ am Nordausgang des Hauptbahnhofs,
jeweils 18.00 bis 18.30 Uhr/ weitere Anregungen finden Sie unter www.kopfbahnhof-21.de

V.i S.P Eberhard Boeck für die Initiative „Leben in Stuttgart. Kein Stuttgart 21“ und BUND, Regionalverband Stuttgart

Über Peter Grohmann

Peter Grohmann, Jahrgang 1937, Breslauer Lerge, über Dresden auf d' Alb, dann runter nach Stuttgart: Schriftsetzer und Kabarettist, Autor und AnStifter gegen Obrigkeitsstaat und Dummdünkel. Mitgründer: Vom Club Voltaire übers undogmatische Sozialistische Zentrum, vom Theaterhaus zu den AnStiftern. Motto: Unruhe ist die erste Bürgerinnenpflicht. Was ärgert Grohmann? Alle, die den Arsch nicht hochkriegen, aber dauernd meckern. Und an was erfreut er sich? An Lebensfreude und Toleranz