Lern- und Gedenkort Hotel Silber, Dorotheenstr. 10, 70173 Stuttgart
Veranstalter: Initiative Lern und Gedenkort Hotel Silber, Die AnStifter, DFG-VK, pax christi mit Unterstützung der Rosa Luxemburg Stiftung BW

Veranstaltung mit der Regisseurin Annette Ortlieb
und anschließender Diskussion
Der lange Kampf der Wehrmachtsdeserteure für Gerechtigkeit und Rehabilitierung
Ca. 30 000 deutsche Soldaten der Wehrmacht, die im Zweiten Weltkrieg desertierten, wurden von der NS-Militärjustiz zum Tode verurteilt. Die wenigen, die den Krieg und die NS-Diktatur überlebten, wurden im Nachkriegsdeutschland nicht rehabilitiert, auch eine Entschädigung für das ertragene Leid gab es nie. Einer von ihnen war Ludwig Baumann, der als Soldat 1942 aus der Wehrmacht desertiert und dann zum Tod verurteilt worden war. Als späterer Aktivist setzte er sich für die Rehabilitierung der Opfer ein, und es ist ihm zu verdanken, dass im Jahr 2002 die Urteile der NS-Militärjustiz gegen die Wehrmachtsdeserteure aufgehoben wurden.
Annette Ortlieb widmet sich in ihrem Dokumentarfilm DIE LIEBE ZUM LEBEN einem Thema, das in der Aufarbeitung der jüngeren deutschen Vergangenheit bisher kaum beleuchtet wurde. Dabei stehen die Lebensgeschichte und das Schicksal des ehemaligen Soldaten Ludwig Baumann (1921-2018) beispielhaft für die ca. 3 000 bis 4 000 Menschen, die zwar das gegen sie verhängte Todesurteil als Deserteur überlebten, es aber ihr Leben lang mit sich herumtragen mussten, ohne dass sich jemand – auch nicht der Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland – für die Aufhebung der Urteile oder deren Aufhebung eingesetzt hat.
Dass der Film so eindrucksvoll wirken kann, liegt auch und vor allem in der gründlichen Recherche, die Annette Ortlieb durchgeführt hat, und in dem vertrauensvollen Verhältnis zwischen der Filmemacherin und dem Protagonisten begründet. Erst diese Verbindung macht es möglich, einen solchen persönlichen Einblick in ein Leben zu geben.
Ludwig Baumann erzählt klug, reflektiert, energisch und mitreißend von seinem dramatischen Leben, von seinen Traumata, von seinen Ängsten und von seinem
Kampf um Gerechtigkeit: die Aufhebung aller Urteile der NS-Militärjustiz.
Mit Ursula Prahm kommt eine langjährige Wegbegleiterin Baumanns ebenso zu Wort wie etwa die ehemalige SPD-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Die Aussagen Baumanns und der Einblick in dieses komplexe Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte machen betroffen. Doch am Ende bleibt das, was dem Film seinen Titel verleiht: DIE LIEBE ZUM LEBEN. Eine Liebe, die man in Baumanns Worten und seinem Handeln spürt. Und die dank Annette Ortliebs filmischer Aufarbeitung eine lehrreiche und mutmachende Inspiration für heutige und nachkommende Generationen sein kann.