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BürgerInnenbrief 154

Liebe Bürgerinnen und Bürger:
durch die Nebelschwaden des Konsums wabert das Bild von einer sicheren Welt. Auf den Wahlplakaten übertrumpfen sich die Kandidaten in den großartigsten Farben – aber eigentlich reißt uns doch kein einziges Plakat vom Hocker. Dafür, dass die Dinger mit unserem Geld finanziert werden, sollten sie etwas intelligenter sein. Aber stattdessen werden die alten, falschen Versprechen von einer heilen Welt wiederholt. Alles, was den Blick klären könnte, alles, was auch nur den Hauch von enthält, ist verboten. Nur noch durchhalten bis zu den Wahlen! Doch was ist, wenn die „Falschen“ drankommen? Dann ist der Ofen aus, dann geht die Welt vor die Hunde. Der eine Teil der Menschheit scheint sich an Angela Merkel zu klammern wie an die Schwarze Madonna von Tschenstochau, der andere Teil der Leute spekuliert munter über die Partnerwahl im Berliner Dschungelcamp, wenn WIR gesprochen haben. Aber bis dahin gilt: Kaufen, kaufen, kaufen! Wir sind die Europas eine Wachstums-Lokomotive. Endlich mal eine gute Nachricht von der Bahn. Schluß mit den Gerüchten, nach denen aus den verstopfen Zugtoiletten der Siff in die 1. Klasse läuft – ausgerechnet dorthin, wo sich Grube und Kefer im trauten Gespräch gegenüber sitzen. Ach, was sind das für Träume!
Der Mensch hat eine Engelsgeduld. Dies zeigt aktuell der Umgang des Bautrupps mit dem Bahnhofsturm. Vielleicht sollten wir also bald mal wieder gemeinsam den Bahnhof besuchen? Vielleicht dies – vielleicht das, vielleicht jenes? Warum fragen wir nicht einfach Sie, Euch, Dich, die Bürgerinnen und Bürger, wie wir’s denn gern hätten mit dem Protest. Das Demo-Team etwa könnte einen kleinen Fragebogen ins Netz stellen, an die Mahnwache legen, im Bürgerbrief abdrucken oder als Flyer verteilen. Etwa mit der Frage, warum man gern zur Demo kommt – oder auch nicht mehr. Oder wie uns – Ihnen – die Montagsdemos gefallen, was fehlt, was weg könnte, was besser, was anders gemacht werden sollte. Ich weiß, wie nervenaufreibend die Vorbereitungen für die Demos sind, wie viel Zeit und Ausdauer notwendig sind und dass man oft Kutteln wie eine Kuh braucht, um durchzuhalten. Manchmal fehlt es auch an Wertschätzung, und dann hat man ja durchaus verschiedne Meinungen, die unter einen Hut kommen müssen. Vielleicht wär ja da so eine Umfrage nützlich?
Der schiefe Turm von Stuttgart: wird das einst zum Sinnbild für eine Bahn-Führung, für eine starrsinnige Baumafia? Was hätte es Peinlicheres geben können als das Desaster von Mainz? Dabei wird’s nicht bleiben! Ausfallende KlimaAnlagen und Klos, Speisewagen ohne Speisen, unterspülte Gleise, Zugausfälle, Verspätungen und eine zunehmende Unsicherheit der Reisenden bei allem, was mit „Bahn“ anfängt. Hier wird Stück um Stück eines der sinnvollsten Verkehrsprojekte an die Wand gefahren. Die SPD starrt wie hypnotisiert auf S21 und reitet munter weiter auf dem toten Pferd. Schad drum!
Die Mainzer Affäre zeigt, wie stark bei der Bahn auf Verschleiß gefahren wird – beim Personal und beim Schienennetz. Die Bahn, schreibt die FR, wurde profitabel gemacht durch Personalabbau und Herunterfahren der Instandhaltung. Überstunden satt, gestresstes Personal, jede Menge Langsamfahrstrecken, teils museale Stellwerke, Chaos bei der Berliner S-Bahn – wer wollte, konnte die Kalamität bereits seit Jahren erkennen. Die Verkehrsminister, egal ob von SPD oder CSU, ließen das immer noch bundeseigene Unternehmen weiter in die Krise fahren. Die Bahn muß die starke Fixierung auf den ICE-Schnellverkehr mit seinen superteuren Trassen aufgeben und das Schienensystem in der Fläche wieder ausbauen. Deutschland und die Deutsche Bahn steuern bisher den gegenteiligen Kurs. Das „Umwelt-Vorreiterland“ investiert pro Bürger und Jahr schlappe 51 Euro in sein Bahnsystem. Das ist ein Witz! Die Bahn muss neue Prioritäten setzen – als Erstes das Milliardengrab Stuttgart 21 beerdigen und die Investitionsmittel in Projekte stecken, die wirklich Nutzen bringen. Dann gäbe es auch mit Sicherheit keinen schiefen Turm von Stuttgart, so die FR. Bravo, sagen wir! Peter Grohmann