Alle Beiträge von Benni Schad

Stuttgarter Spätzünder – Grohmanns „Wettern der Woche“

Stuttgarter Spätzünder – Grohmanns "Wettern der Woche"

Während ukrainische Flüchtlinge mit Klaviermusik in Polen empfangen werden, weist das Land Flüchtlinge aus anderen Ländern aus rassistischen Motiven ab, stellte meine polnische Freundin Zara neulich fest. Die Welt ist nun mal ungerecht, sagte ich ihr, sonst wär‘ sie ein Paradies, und das will auch wieder niemand. Sie etwas gerechter zu machen, führt schnell zu Streit.

Nehmen wir Emma Herwegh: Sie wird heute als waffentragende Frau geehrt, Präsidenten und Kanzler verneigen sich vor Emma, wg. 1848, während man Bertha von Suttner (Pazifistin, *1843) umgehend zum Teufel jagen würde, eben deshalb – oder (am liebsten) an die Wand stellen tät‘, rein symbolisch. Bei der Suche nach Stauffenberg, gewissermaßen ein Stuttgarter Spätzünder, stoßen wir auf die Stiftung 20. Juli, und die listet heute auf, was im Widerstand gegen die Tyrannen seinerzeit getan wurde oder hätte oder können oder müssen und sollen (https://www.was-konnten-sie-tun.de) – ein Arsenal verrückter Ideen! Da steht doch tatsächlich und schwarz auf weiß: „Den Kriegsdienst verweigern“ und „Feindsender“ hören, Informieren, Kriegsrealität sichtbar machen, Kriegs-dienstverweigerer verstecken, Aufrütteln, Ausweise fälschen, Flugblätter verbreiten, Verfolgten helfen, Umsturz planen, den Tyrannen stürzen, den Krieg beenden. „Da wirste ja ganz meschugge“, kommentierte meine Omi Glimbzsch aus Zittau, als sie googelte und einen russischen Deserteur versteckte.

Apropos Deserteure: Wer in Kasachstan den Militärdienst verweigern will, haut am besten nach China ab. Der Rotchinese liefert nicht aus. Andererseits ist der kasachische Tyrann Tokajew bei uns wohlgelitten. Kein Wunder, die liefern uns Rohstoffe und sind Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner in Zentralasien. Die muss man sich warm halten wie die Mullahs von Teheran oder die Netanjahus und Erdogans dieser Welt oder den Amazonas-Regenwald. Den Fuß drinhaben, Leute! Beim Regenwald ist die Deutsche Bahn Mittäterin und Mitplanerin bei einer privaten Gütereisenbahn und einem Hafen zum Export von Rohstoffen – klar, nach Europa! Wen juckt’s, wenn der Regenwald, die Cerrado-Savanne und die dort lebenden Menschen bedroht sind? Die deutsche Entwicklungsbank KfW und die Entwicklungsgesellschaft GIZ prüfen bereits, wie das Projekt unterstützt werden kann, der Ampel sei Dank. Wenn wir’s nicht machen, machen’s die Scheichs oder die Japaner…

Warum begannen wir, an Götter zu glauben, an Nationen, an Menschen-rechte? Warum setzen wir Vertrauen in Geld, Bücher und Gesetze und unterwerfen uns der Bürokratie, Zeitplänen und dem Konsum? Und hat uns all dies im Lauf der Jahrtausende glücklicher gemacht, fragt Yuval Noah Harari? Der israelische Militärhistoriker, Professor in Jerusalem, sieht sein Land auf dem Weg in eine Diktatur. Er wird’s wissen, und manchmal sowas schneller, als die Polizei erlaubt.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Päpste, Pornos und Penunzen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Päpste, Pornos und Penunzen – Grohmanns "Wettern der Woche"

Lieber Franziskus, alles Gute zum zehnten Jahrestag Deines Pontifikats. Nein, ich hätt‘ nie gedacht, dass Du so lange durchhältst! Und nein, wir sind uns nicht immer einig, ich bin tagsüber ungläubig und der Priestermangel juckt mich nicht. Aber Deine sozialrevolutionären Thesen gehen mir runter wie die frische Butter vom Wochenmarkt in Trastevere! Okay, in der SPD könntste damit keine Karriere mehr machen.

Neulich überraschte mich die Nachricht, dass die Katholische Kirche Deutschlands größte Arbeitgeberin überhaupt ist – da musste ich sofort an die vielen Menschen denken, die für ’n Appel und ’n Ei und weniger als Gotteslohn Gutes tun und keine Zeit zum Beten haben, weil z.B. in Alten- und Pflegeheimen für alle Pflege- und Dienstleistungen, für alle Geräte und Produkte – also für jeden Handgriff – schriftliche Dokumentationen vorgeschrieben sind. Jetzt fehlen 500.000 Pflegekräfte, und morgen werden es noch mehr sein, weil die Arbeit beim Aldi an der Kasse entspannender ist, wenn auch genauso gewerkschaftsfrei.

Die Pflegekräfte könnten sich mit den 80.000 fehlenden Busfahrern zusammenschließen und gemeinsam mit den fehlenden 10.000 Jugend- und Arbeitsrichtern zum Protestlabor vor dem Kanzleramt marschieren. Vielleicht treffen sie unterwegs ja die Kindergärtnerinnen und Bademeister, die Klempner, Klofrauen, Lehrerinnen und Abonnenten, die bei den Tageszeitungen wegrennen und sich aus ihrer Verantwortung für die Pressefreiheit stehlen.

Egal jetzt: Wohlhabende brauchen keine Pflege, sie sind länger gesund, und wenn’s irgendwo klemmt, fliegen sie nach China. Die traditionelle chinesische Medizin ist berühmt für ihren Nichtsnutz. Die eher ärmeren Schichten holen sich eine Maria 2.0 aus Polen, obwohl Ukrainerinnen preiswerter sind. Franzl, ich weiß, dass Deine Kirche wenig bis gar nix von dieser Zwei-Punkt-Null hält und der eine oder andere Tête-à-Tête diese aufsässigen Schwestern am liebsten mit Haut und Haaren verbrennen würde. Ist aber noch verboten.

Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert, behauptet meine Omi Glimbzsch aus Zittau. Das Zitat hat sie bei Erich Mielke oder Diether Dehm (oder doch Christian Lindner?) geklaut, die sich alle auf ihrem synodalen Weg verirrt haben und „in eine frömmlerische Haltung verfallen, die so süßlich, so abstoßend ist, weil sie so zuckersüß ist, diese Versuchung“, meinte der römische Kirchenfeldherr und zieht weiterhin gegen die Dogmatiker, Sektierer und Fanatiker zu Felde. Ach, Priester sollte man werden, da mangelt’s und da wär‘ man sicher vor dem größten Bankenkollaps seit der Finanzkrise und den fast sechs Millionen Waffenbesitzern vor meiner Haustür.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Was tun? – Grohmann „Wettern der Woche“

Was tun? – Grohmanns "Wettern der Woche"

Zuversicht bei Rheinmetall, Sorgen bei den Rentnerinnen – als ob ich’s geahnt hätte! Die Postbank spricht bereits von einem unbezahlbaren Alltag. Jeder dritte Deutsche muss nun wohl seine Ersparnisse anzapfen, um halbwegs unverfroren über die Runden zu kommen, jeder sechste Deutsche ist existentiell bedroht, von den Nichtdeutschen ganz zu schweigen. Bedenkenlos bleibt, dass jeder Fünfte Pech und sonst gar nix auf der hohen Kante hat. Что делать? Tschto delat? Was tun?, fragte bereits vor 120 Jahren Wladimir Iljitsch Lenin, als er noch Sozialdemokrat war. Auf eine überzeugende Antwort wartet die Vorhut der Arbeiterklasse bis heute und macht sich bestenfalls eigene Gedanken. Die Kommunen wissen natürlich: Es rettet sie kein höh’res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun! Sie raten zu mehr Sparsamkeit und (etwas verhohlen) auch gern zum Anstellen vor den Tafelläden. Am anderen Ende der Fahnenstange pocht meine Omi Glimbzsch in Zittau beharrlich auf Volkssolidarität und Arbeiterwohlfahrt.  Sie hat ihr letztes Wort noch nicht gesprochen.

Freilich – wer etwas längerfristig plant, muss sich jetzt zwei Termine notieren: Den 1. Mai als wichtigsten internationalen Kampftag der Arbeiter- Innen-Bewegung. Hier wird weiterhin an einem (breiten) Bündnis zwischen der Klimabewegung (fff) und der IG Metall in Untertürkheim gestrickt – und dem 6. Mai, dem emotionalen Highlight für die unteren Klassen. Ich sage nur: Charles! Traditionsgemäß und wenn alles klappt, wird der neue König Charles III. vom Erzbischof von Canterbury, dem geistlichen Oberhaupt der Church of England, in der Westminster Abbey ungebremst gekrönt, gesalbt, gesegnet und geweiht werden. Der alte Quacksalber ist im Grunde genommen ein Deutscher: Das britische Königshaus trug bis 1917 den deutschen Namen Sachsen-Coburg und Gotha. Über seinen Paps fließt in seinen Adern auch das feinere blaue Blut aus dem Hause Schleswig- Holstein-Sonderburg-Glücksburg (auch wenn’s nur aus einer Nebenlinie des Hauses Oldenburg kommt!). Halt, jetzt nicht beleidigt weglegen, sondern weiterlesen, das Beste kommt erst jetzt: Der Dritte wird mit veganem Öl gesalbt! Elisabeth würde sich im Grabe rumdrehen, wenn sie könnte – sie wurde noch mit dem wohlig riechenden Ambra geweiht. Das Gewürz in Form steiniger Brocken stammt aus dem Gedärm des Pottwals und bildet sich aus schwer verdaulichen Teilen von Tintenfischen und Kraken. Charles zieht das vegane Produkt aus den Jerusalemer Ölbergen vor. Kann ich nachvollziehen. Und sonst? Die politischen und sozialen Folgen für übermorgen? Kunst, Kneipen, Konsum, Katastrophen? Ich nehm‘ Karl Valentin beim Wort: Die Zukunft war früher auch mal besser.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter

Flugblatt 5
Jürgen Habermas über die Ukraine – Ein Plädoyer für Verhandlungen

Der Aufsatz „Ein Plädoyer für Verhandlungen“ von Jürgen Habermas, der am 14.2.23 in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist, kann jetzt gegen Erstattung der Portogebühren bei uns als Flugblatt bezogen werden.

Küsst die Faschisten! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Küsst die Faschisten! – Grohmanns "Wettern der Woche"

Manche habe schon schwäbische Albträume, wenn sie nur den Namen Sahra Wagenknecht hören. Andere wieder können nicht mehr einschlafen, weil sie fürchten, Sahra würde über Nacht Kanzlerin werden und Antje Vollmer Kulturstaatssekretärin. „Sind die denn wie der Scholz von allen demokratischen Geistern verlassen?“, tät‘ meine Omi Glimbzsch aus Zittau jetzt fragen – und gleich wieder einen Rückzieher machen: „Ich hab‘ schon Pferde kotzen sehen!“

Von Alice Schwarzer reden die weißen alten Männer verständlicherweise nicht – die hat bei ihnen in der Vergangenheit schon genug Unheil angerichtet. Aber vom Chinesen! Und der hat dieser Tage ein peinliches Statement abgeliefert, so die Vordenker. Er geht so weit, sogar zu einem Waffenstillstand (!) und zu Verhandlungen (!!) im Ukraine-Krieg aufzurufen. Man fasst sich an den Kopf und denkt: Geht’s noch?

Der 12-Punkte-Plan der Maoisten ist eine Art Geheimpapier und wegen der weitgehend vorherrschenden Pressefreiheit bei uns fast nirgends komplett und vor allem unkommentiert nachzulesen. Mit Recht! Denn wer traut schon den Lesekundigen unserer Tage? Aber auch die Analphabeten ohne Migrationshintergrund werden zunehmend unsicher. Ihre Sorgen wandern bis hoch hinauf nach Luxemburg und fragen dort den Privatsender verzweifelt: „Kann ich mich bei Produkten aus China anstecken?“ Ja, und wie!

In der Präambel des Nordatlantikvertrages bekennen sich die Nato-Mitglieder erfreulicherweise und wörtlich „zu Frieden, Demokratie, Freiheit und der Herrschaft des Rechts“. Da ist es gut zu wissen, dass Indien noch nicht Mitglied der Nato ist. Keine Chance trotz Scholz für Modi. Der Kanzler hat bei seinem Besuch gewissermaßen die Faschisten geküsst und Indien in den Adelsstand erhoben. Im Kontext mit den Ausschreitungen in Gujarat 2002 unter unserem Freund Modi gab es schwerste Verbrechen wie Vergewaltigungen, Verstümmelungen und Kindsmord, ohne dass die von Modi geführte Regierung des Bundesstaats eingriff und die Pogrome polizeilich unterband.

Modi ist ein treuer Freund von Gewalt und Terror, ist Nationalist und Rassist. Er mag die Andersgläubigen nicht, nicht die Andersdenkenden und nicht die Demokratie. Da ist er sich vermutlich mit Putin einig. Aber wir brauchen nun mal neue Absatzmärkte und junge, kluge Inder mit guten Zähnen (weniger die Inderinnen, wegen der Schwangerschaftsabbrüche), wir brauchen Fachkräfte, Spezialisten, idealerweise bereits komplett ausgebildet – so wie Modi Putin braucht: Beide freuen sich über die gemeinsame indisch-russische Produktion von Kalaschnikows. Je mehr, je besser.

* Kurt Tucholsky, Rosen auf den Weg gestreut: Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft, 1931.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Saudumme Ideen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Saudumme Ideen – Grohmanns "Wettern der Woche"

Neben vielen anderen und bedenkenswerten, ja echt guten Ideen gibt es auch bedenkenlose, ja nahezu ordinäre Vorschläge, wie dem Elend auf der Welt zu begegnen wäre. Ein Beispiel ist die Forderung eher ärmerer Schichten, den Kapitalismus komplett abzuschaffen, also heute schon und mit Haut und Haaren. Alle Welt weiß: Kapitalismus hat in der Tat viel Unschönes an sich. Ein zweites Beispiel aus jüngster Zeit ist die Idee, die Menschen an allen Fronten der Erde aufzurufen, Kanonen, Maschinengewehre, Streumunition und Phosphorbomben für ein halbes Jahr auf die Seite zu legen und in die Türkei und nach Syrien zu eilen, um mit Ärzten und Arzneien, Baggern und Babynahrung, Lkws, Zelten und Gulaschkanonen die Menschen vor Seuchen, Hunger, Elend und Tod zu retten. Voraus-setzung wäre natürlich, dass Bombardier Erdogan verspricht, sein eigenes Erdbebengebiet erst nach Ende der Hilfsaktionen wieder zu bombardieren. 

Momentan haben viele andere Ideen Hochkonjunktur – saudumme, sehr gute und richtig gemeine mit bösen Absichten. Viele Ideen gelangen einem ohne eigenes Zutun, ohne großes Nachdenken in den Kopf, andere wieder gelangen ungefragt an die Öffentlichkeit, dritte kommen aus allgemein anerkannten klugen Köpfen. Und hier entsteht über Nacht eine ideale Möglichkeit, den jeweiligen Ideengebern den Stinkefinger zu zeigen: Endlich Peter Brandt oder Claus Leggewie eins überziehen, Halunken von gestern wie Cohn-Bendit und Jürgen Habermas die Rote Karte zu zeigen, die fromme Margot und Wolf Biermann in die Ecke zu stellen und ein dreifacher Pfui hinterher zu schmetter. Auch Frau Glimbzsch aus Zittau und ihre Anhängerin Alice Schwarzer kann man unbeschadet eine überbraten: Auf gut Schwäbisch „da Roschd ra do“. Daran kann sich jedefrau, jedermann beteiligen – das Podium des Auskotzens erreicht garantiert über die seitwärts gelenkten Staatsmedien oder über TAZ und FAZ von AfD und CSU bis bis hin zum mitteldeutschen Rundfunk die letzte Ecke der Republik. Damit aus Not und Qual die neue Welt entsteht: Schlag zu, Prolet! (John Heartfield) – aber nicht unter Niveau. 

Es gibt unter den Gemeinten und Getroffenen Leute mit einem dicken Fell, es gibt Sensibelchen, Sprachlose und Schreihälse. Geschenkt. Es täte dennoch gut, das ganze Wortreich schleunigst wieder abzurüsten, damit man morgen noch kraftvoll zubeißen kann. 

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter. 

Frontbericht – Grohmanns „Wettern der Woche“

Frontbericht – Grohmanns "Wettern der Woche"

Rund 45 Prozent der gefragten Menschen in Deutschland ist ein Krieg per se unangenehm, der andere Teil weiß auch nicht, was man noch tun soll, und sieht ein schnelles Kriegsende eher in der Lieferung moderner Waffen. Verdächtig machen sich heute freilich aber alle, die zu Verhandlungen neigen – UN-Generalsekretär António Guterres etwa. Der sozialistische Portugiese warnt sogar vor einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs zu einem „größeren Krieg“ (dabei wissen doch die Waffenproduzenten, dass ein Krieg für sie nie groß genug sein kann!).

Aber jetzt mal stopp, die Waffen nieder! Guterres hat lediglich auf die Uhr geschaut, genauer auf die Weltuntergangsuhr. Mit der machen uns Wissenschaftler Angst vor einer von uns selbst herbeigeführten apokalyptischen Katastrophe. Die Uhr stehe aktuell auf 90 Sekunden vor Mitternacht – ein Punkt, den sie nicht einmal in den härtesten Phasen des Kalten Kriegs erreicht habe. Die Ursachen? Neben der drohenden Klimakatastrophe seien es nukleare Gefahren und vor allem der Ukraine-Krieg. „Die Aussichten auf Frieden verschlechtern sich, die Wahrscheinlichkeit weiterer Eskalation und Blutvergießens steigt weiter. (…) Ich fürchte, die Welt schlafwandelt nicht in einen größeren Krieg, sie bewegt sich mit weit geöffneten Augen in ihn hinein.“ Wer ist dieser Mann? Und was heißt schon UN-Generalsekretär? Aber hören wir hier auch eine kritische Rückfrage aus dem eher grünen Lager: War Guterres besoffen? Hat er sich eventuell mit Schwarzer und Wagenknecht abgesprochen?

In der Frontstadt Berlin hingegen hat die Kritische Intelligenz gesiegt – ganz, ganz knapp, nach Adam Ries. Der Mann konnte halt noch rechnen. In der Hauptstadt haben sich am letzten Wochenende vor dem Weltuntergang 37 Prozent der Demokratie verweigert und sich in ihren Betten verkrochen, 50 Prozent haben allen Unkenrufen zum Trotz den rot-grün-versifften Kandidat:innen ihre Stimme verschenkt, 9 Prozent staatsfeindlichen Kleinstparteien und 9,1 Prozent der AfD. „Ich komm‘ auf 105,1 Prozent!“, tät‘ meine Omi Glimbzsch in Zittau jetzt triumphierend rufen und feststellen, dass sie da CDU, FDP und DKP nicht mal mitgerechnet hat. Anders gesagt: Es gibt eine stabile Koalition gegen die Mehrheit in Marzahn – wir sollten also aufpassen und nicht abermals unsere Intelligenz aufs Spiel setzen!

Aber von der eignen mal angesehen – die künstliche Intelligenz wird ja auch immer intelligenter. Jetzt macht sie uns bereits eigenhändig Vorschriften. In der Türkei z.B. haben die hochkomplexen KI-Systeme der Überwachung von sich aus und ungefragt den Staatsanwaltschaften dort Namens- und Adresslisten korruptionsfreudiger Bauunternehmer gemeldet und wegen dringender Fluchtgefahr zur Verhaftung geraten. Erdoğan war nicht dabei, aber man erwischt eben nie alle.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Ein Kommunist im Vatikan – Grohmanns „Wettern der Woche“

Ein Kommunist im Vatikan – Grohmanns "Wettern der Woche"

Ganz ruhig bleiben! Kommunismus bezeichnet zunächst mal gesellschafts-theoretische Utopien, die auf Ideen sozialer Gleichheit und Freiheit aller Gesellschaftsmitglieder, auf Gemeineigentum und kollektiver Problemlösung beruhen. Schön wär’s, sagt da meine Omi Glimbzsch und bleibt skeptisch. Aber ich kann sie an Franziskus verweisen: Ihr heiliger Vater ist da nämlich ganz anderer Meinung. Papa ist, verkürzt gesagt, ein frohgemuter Kapitalistenfresser, segnet Ideen von sozialer Freiheit und kollektiven Problemlösungen mit linker Hand und erbittet sich zu allem Überfluss auch noch die Gnade Gottes. Wenn das mal gut geht, Omi!

Ich habe schon vor fünf Jahren auf die Machenschaften des Kommunisten im Vatikan hingewiesen, etwa auf die Behauptung, dass Kapitalismus zur Sklaverei führt, ja sogar tötet. „Wenn der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt steht, wenn das Geldverdienen das erste und einzige Ziel ist, befinden wir uns außerhalb jeder Ethik und bekommen Strukturen der Armut, Sklaverei und Verschwendung“. Dabei wiederholt der Papst Franziskus wieder und wieder seine Kritik an der „Wegwerfkultur“, die im Namen des Geldes Arme, Schwache und Randgruppen ausgrenzt und zugleich die Umwelt zerstört. 

Das Oberhaupt ist in den letzten Jahren noch gefährlicher, ja einflussreicher geworden und ohne große Mühe in die Lage, eine Million Menschen, sogar Afrikanerinnen und Afrikaner, zu mobilisieren. Erzählen Sie mir jetzt bitte nicht, dass das andere auch könnten! Für unsere letzte Antikriegskundgebung in Stuttgart konnte ein „breites Bündnis“ eben mal etwas mehr als hundert schlecht gelaunte Leute mobilisieren. Beide Ereignisse lagen zeitlich nah beieinander, Anfang Februar 2023. 

Die Grausamkeiten, die Folter, die Verstümmelungen und das Morden, von denen bei der Reise des Heiligen Vaters in teils schwer zu ertragenen Details erzählt wurde, mündeten in seinen Appell: „Hände weg von der Demokratischen Republik Kongo, Hände weg von Afrika! Die Erstickung Afrikas muss aufhören: es ist kein Bergwerk, das ausgebeutet, und kein Boden, der zur Plünderung freigegeben ist.“ Das war einmal mehr – und da sind sich alle Antikommunisten einig – eine direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Kapitalismus, ja der westlichen Werte, verbunden mit scharfer Kritik an den Außenpolitiken der reichen Industrienationen – letztlich ein Schuss vor den Bug von Olaf Scholz und Robert Habeck.

Karl Valentin, der vor 75 Jahren das Zeitliche segnete, wusste natürlich, dass früher die Zukunft auch schon mal besser war. Er ließ dennoch die Hoffnung nicht fatzen, „dass es nicht so schlimm wird, wie es jetzt schon ist“. Valentin war, so gesehen, ein katholischer Kommunist. Eine gute Mischung als Salz der Gesellschaft.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifte

Kampfjets jetzt! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Kampfjets jetzt! – Grohmanns "Wettern der Woche"

Kampfjets jetzt, sofort. Obwohl ich noch bissel unsicher bin! Fregatten ja, Drohnen gern, Haubitzen allemal, Mauser immer, wenn’s sein muss, U-Boote, taktische Atomwaffen aus Büchel oder so, Bodentruppen, Söldner, Verbandskästen – alles drin, aber ansonsten sag‘ ich mir: lieber verhandeln. Leute, die Welt hat mit Hitler verhandelt, mit Stalin, Franco, Gaddafi, mit Mugabe, Idi Amin, Xi Jinping, mit Ortega, Friedrich Flick, Max Schmeling, H.G. Maaßen, sogar mit dem Friedensnobelpreisträger Jassir Arafat, mit Erdoğan, Wladimir Lissin, sogar mit Leuten, die vorher von uns mühsam und teuer genug hochgepäppelt, finanziert, strategisch-militärisch und rein menschlich unterstützt, aber dann frech wurden. Also: Warum nicht auch mit Putin?

Okay, es hat was für sich, erst mal abzuwarten und zu schauen, wie lange es noch dauert, bis dieser Schurkenstaat am Boden liegt. Aber ich bin vehement gegen einen Einmarsch, das muss klar sein.

Die Demokratie ist auch heute in vielen Ländern in Gefahr, ja, in vielen Ländern kennt man sie sogar nur aus der Ferne wie Merz und Maaßen, grüßt sie wie einen guten Onkel in Amerika, der 1933 in die USA auswandern durfte. Deshalb schauen wir ja in diesen tristen Tagen auch so genau hin, wie es um Populismus und Ausländerhass steht, wie es dem Antisemitismus und der Gewalt geht, was die Gerechtigkeit tagsüber so treibt.

Hin und wieder wandert der Blick dann ins Ausland, zum Nato-Partner Türkei, in die Niederungen von Österreich, wo eben erst die Demokratie zu humpeln beginnt – nein, noch nichts Ernstes. Dorthin, wo die rechten Populisten bei den jüngsten Wahlen gut und gern mehr als 50 Prozent der Wählerschaft binden konnten, freiwillig.

Und weil Jahrestag ist, werfen wir den Blick zurück ins Deutsche Reich der 1930er-Jahre, zu Krupp und Thyssen und Flick und Abs, zu Daimler und Porsche, zu Kirchen und Junkern, zum Adel und dem Medien-Mogul und Hitler-Freund Hugenberg. Nein, Leute: Die Wähler seinerzeit haben trotz Deutscher Bank und Industrie, trotz alledem und alledem Adolf Hitler, die NSDAP, die Sippenhaft, die Judenvernichtung und den Krieg gewählt. Aber ganz demokratisch soll es 1933 nicht zugegangen sein, sagen die Forschungen, und: Die Industrie war jedenfalls nicht schuld.

In den Niederlanden, las ich dieser Tage, halten 23 Prozent der letzten Generation (Leute zwischen 20 und 40 Jahren) die Berichte über den Holocaust für einen Mythos oder übertrieben. Und auch über die NS-Zeit weiß man wenig bei unseren Nachbarn. Gott sei Dank leben wir hier.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter. 

Stoßtrupp Slomka – Grohmanns „Wettern der Woche“

Stoßtrupp Slomka – Grohmanns "Wettern der Woche"

„Haste gesehn, was die für stechende Augen hat?“ fragte mich meine Omi Glimbzsch aus Zittau, als ich neulich mal wieder die DDR besuchte. Omi sieht schlecht – sie hat tränende Augen, weil man aus der DDR hätte was Besseres machen können als diese verlängerte Ladentheke, glaubt sie. „Das war nich Marietta Slomka,“, sag‘ ich ihr, das war der Jens Riewa!“ Aber sie besteht darauf: „Ich bin doch nich meschugge! Wenns nicht die Slomka war, wars die Gahren Miosga!“ Meine Omi hat ein sehbehindertes Vorurteil gegen große Frauen neben sich, selbst wenn es Männer sind. Ja, sie kannte sogar noch den Hanns Joachim Friedrichs. Der Name wird Ihnen nischt sagen. Aber der Hajo war ein journalistische Altmeister, mit allen Wassern des Westens gewaschen. Friedrichs war das Gesicht der Tagesthemen und hatte die Glimbzsch nach dem Umsturz in der DDR mal wegen des Streiks der Textilarbeiterinnen in Crimmitschau 1905 interviewt. Er war begeistert und flüsterte ihr angeblich bei der Abreise aus der Oberlausitz nonchalant ins Ohr „Frau Glimbzsch, man muss „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“

Belegen lässt sich das heute en Detail leider nicht mehr, doch das Zitat ist literarisch hinterlegt und gehört zur öffentlich-rechtlichen Grundausstattung aller Redaktionskonferenzen.

Omi hat dieser Tage den AK Antimilitarismus im Haus Waldfrieden in Oybin ins Leben gerufen, zusammen mit ihrem Zimmernachbarn aus Eisenhütten-stadt (früher „Schrottgorod“) und einer Pflegerin aus der Ukraine. Sie wollen sich gemeinsam auf die Suche machen nach Möglichkeiten für einen Endsieg, bevor alles in Scherben fällt. Welche Granaten haben welche Reichweite, wie steht es um Abschussrampen? Wo sind die nächsten Servicestationen für die Leoparden? Was taugen von die Russen zurück-gelassenen Kalaschnikows? Sind MGs aus israelischer oder solche aus chinesischer Produktion wirksamer? Oder auch: Könnte man sich auch als anerkannter Kriegsdienstverweigerer bei der Armee melden, ohne sich strafbar zu machen? Ist der Einsatz der Bundeswehr ratsam, quasi als letzte Möglichkeit?

Eine Fraktion im AK widmet sich der zivilen Infrastruktur, ohne die letztlich ein Krieg sinnlos ist. Dabei geht es um Nahrungsmittel, vor allem Baby-nahrung, um Medikamente selbst für die Zivilbevölkerung, um gute Winter-bekleidung, um Heizmaterial, denn hunderttausende Menschen sind fast vergessen, sind krank, hungern und frieren. Für die geplante dritte Neigungs-gruppe „Internationale Solidarität“ fehlen momentan noch die personellen Ressourcen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter. 

Im Tal der Ahnungslosen – Grohmanns „Wettern der Woche“

Im Tal der Ahnungslosen – Grohmanns "Wettern der Wcohe"

Wer aus dem dunklen Tal der Ahnungslosen, dem Stuttgarter Kessel, aufsteigt zu den lichten Höhen auf den Fildern, der landet direktemang im gierigen Rachen der CMT: Hier kampiert zurzeit die weltweit größte Publikumsmesse für Tourismus, Freizeit und Klimasünden. Zur Sünde selbst äußerte sich angemessen dieser Tage auch der frühere Lützerather Staatsrat Winfried Kretschmann: „Ob wir ein Tempolimit umsetzen oder nicht, ist für den internationalen Kampf gegen den Klimawandel völlig irrelevant.“ Nu jaja, nu nene, würd‘ meine Omi Glimbzsch aus Zittau jetzt sagen und Lenin zitieren: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

Egal jetzt – Partnerland der CMT ist unser Nachbarland Mongolei: unendliche Weiten, unberührte Natur und kaum ein Mensch zu sehen. Wie auf der Schwäbischen Alb bei Upflamör. Doch das werden wir schnell ändern. Denn ob Hammelfleisch mit selbstgeschabten Spätzle in der Jurte, ob Kreuzfahrten ins Eismeer, Rundflüge über die Slums von New York, ob eine Nacht in einem ukrainischen Bunker, ein Abstecher zu den seltensten Erden in China oder zu zurückgelassenen Freunden in Kabul: Nichts ist unmöglich.

Wenn du Pech hast und zurückkommst in deine angestammte Heimat, sitzt möglicherweise schon der Iwan auf deinem Sofa, schaut Russia Today, um schnell Deutsch zu lernen, oder erzählt deinen Kindern Märchen von Peter und dem Wolf. Er weiß: Die Deutschen sind zwar ein bissel rassistisch, aber reisen gern in die Welt. Sie sind vor allem nicht verteidigungsfähig – die Bundeswehr ist im Eimer. Jedwede Nachrüstung kommt zu spät, denn es braucht 10 Jahre, um uns wehrtechnisch wieder salonfähig zu machen. Eva Högl, eine gläubige Sozialdemokratin mit militärischem Hintergrund, sagt es selbst: Die beschlossenen 100 Milliarden für die Bundeswehr sind ein Nasenwasser – und die aktuell geforderten 300 Milliarden für unsere Soldaten sind nicht aus der heißen Luft gegriffen. Wie gesagt: Jetzt weiß der Russe natürlich, dass wir nicht verteidigungsfähig sind. Airbus und Rheinmetall, Heckler & Koch, ThyssenKrupp, Krauss Mafia, Jenoptik: Die ganz großen Kriegswaffen-Produzenten reiben sich ihre fettigen Hände am Kanonenrohr und an den dicken Auftragsbüchern. Zum Nachtisch gibt’s Export auf Teufel komm raus. Natürlich müssen die Rüstungsfirmen die Regierung höflich und mit Spenden bitten, den Export zu genehmigen – gut Freund in Koalition und Opposition. Von Seiten des Staates werden strittige Anträge meist mit dem Verweis auf außen- und sicherheitspolitische Interessen genehmigt. Der Waffenhandel ist ja auch Teil der Beziehungspflege. Und wenn’s bei uns zu teuer wird, verlagern wir die Produktion nach China.

Leistung muss sich wieder lohnen. Porsche kann in 2,8 Sekunden auf 100 Stundenkilometer beschleunigen, die 100 größten Lebensmitteil- und Energiekonzerne haben ihren Gewinn mehr als verdoppelt – und Sie?

Genau! Das meine ich.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Eindrücke von der Abbruchkante

Kleinkundgebung in Keyenberg.

Auf dem Weg nach Lützerath kommt man durch Keyenberg, einen Ort der ebenfalls dem Braunkohletagebau geopfert werden sollte. Diese Entscheidung wurde revidiert. Laut Wikipedia haben jedoch bereits 85% der Bewohner*innen das Dorf verlassen. Der Ortsteil von Erkelenz gleicht heute einem Geisterdorf. Auf der Website des WDR findet sich ein Bericht über die Folgen in Keyenberg und den anderen „geretteten“ Dörfern.

 

Karte: Open Street Maps

Keyenberg und Lützerath befinden auf der westlichen Seite des Tagbaus Garzweiler II. Die Tagebaue Garzweiler I und Garzweiler II erstrecken sich über eine Fläche von über 100 Quadratkilometern, das entspricht etwas der Hälfte der Fläche der Stadt Stuttgart. Bisher sind dort über 20 Ortschaften der Braunkohleförderung zum Opfer gefallen.

 

Die ersten Polizeifahrzeuge zwischen Keyenberg und Lützerath.

„Der Einsatz körperlicher Gewalt war notwendig [… ] Die Kollegen waren gezwungen, alle zur Verfügung stehenden Einsatzmittel einzusetzen“, so der Polizeipräsident Dirk Weinspach nach der Demonstration am vergangenen Sonntag gegenüber WDR Aktuell.

 

Auf dem Weg von der Kundgebung in Richtung Tagebau.

Im Hintergrund sind ein Bagger und Demonstrant*innen auf der Einfriedung zu sehen. Einige der für den Tagebau benötigten Flächen wurden RWE bisher noch nicht überlassen. Neue Enteignungen könnten nötig werden, berichtet der WDR.

 

Blick von der Einfriedung des Tagebaus Garzweiler nach Norden.

Die Demonstrant*innen strömten von Norden kommend in Richtung des Zauns kurz vor Lützerath. Dort kam es zu den Auseinandersetzungen mit der Polizei. „Eine Sprecherin des Sanitätsdienstes der Demonstranten hatte gesagt, bei der Demo am Samstag sei eine „hohe zweistellige bis dreistellige Zahl“ von Teilnehmerinnen und Teilnehmern verletzt worden. […] Dabei habe es besonders viele Kopfverletzungen gegeben. […] Die Polizei wiederum berichtet von mehr als 70 verletzten Polizisten seit Beginn der Räumung von Lützerath am Mittwoch. Die meisten davon seien bei der Demo am Samstag verletzt worden, sagte ein Polizeisprecher. Die Verletzungen gingen aber nur zum Teil auf Gewalt durch Demonstrierende zurück. Teilweise seien die Beamten zum Beispiel auch im schlammigen Boden umgeknickt.“ (RND)

 

Blick nach Osten auf den Tagebau Garzweiler.

Zur gleichen Zeit fand ca. 500 Meter weiter westlich eine Kundgebung mit Greta Thunberg und anderen Redner*innen statt.

 

Blick nach Süden in Richtung Lützerath.

„Wäre Lützerath weg, könnten sich die Bagger des Kohlekonzerns kilometerweit in die Landschaft graben – für 280 Millionen Tonnen zusätzliche Braunkohle aus dem Tagebau Garzweiler. Für die voranschreitende Erderhitzung ist dieses Vorhaben ein Debakel: Wird die Kohle unter den Garzweiler-Dörfern verbrannt, sind die Pariser Klimaziele für Deutschland nicht einzuhalten.“ (Greenpeace)

Fotos und Text: Benjamin Schad

Braune Böller – Grohmanns „Wettern der Woche“

Braune Böller – Grohmanns "Wettern der Woche"

Nein, nicht Neukölln, Borna: In der sächsischen Kleinstadt Borna (Landkreis Leipzig) haben am Silvesterabend etwa 250-300 deutsch-stämmige Menschen auf dem Marktplatz randaliert und Polizei, Einsatzkräfte und den Weihnachtsbaum (!) mit Böllern und Raketen angegriffen. Anwohner berichten von „Sieg Heil“-Rufen und Leute, die mit Vollmasken durch die Kleinstadt zogen. Die sächsischen Vollpfosten attackierten nach Weihnachtsbaum und Polizei auch das Rathaus.

Natürlich regen sich meine Nachbarn mit Nazihintergrund mehr über den türkisch-syrischen Raketenhagel in Berlin-Neukölln und über Inländer mit Migrationshintergrund auf als über Sachsen oder russischen Granaten auf den Oblast Mykolajiw. Im Feuerzauber von Neukölln ging Borna unter. Im Fall von Neukölln ist’s piepegal, ob schon die Großeltern im Kiez geboren wurden oder die Kids erst gestern ihre Bude bezogen haben. Wenigstens zum Jahreswechsel kannst du klassen- und intelligenzübergreifend die Sau rauslassen und demonstrieren: Wir sind ein Volk – aber ich hab‘ den größten. Kann sein, dass deiner schöner ist oder deiner weiter fliegt, aber meiner hat mehr Sprengkraft. Wenn deiner lauter ist, pfeift meiner gemeiner. Kinder, das ist doch eine alte Kapitalistenregel: Größer, schöner, weiter, besser, lauter, voller, heller, teurer, dümmer. Wir legen großen Wert auf Nachhaltigkeit, schreibt die Lebensmittelkette tegut und drückt an den Kassen zu Silvester dem nachhaltig gesinnten Publikum nochmal Judenfürze und Schweizer
Kracher aufs Auge. Nein, nicht in Berlin, in Degerloch. Bei den Fahrten zu den Silvesterpartys quer durch die Schwabenmetropole ist auch hier die an den Balkonen der Sozialwohnungen vorbeirauschende Mercedes-Flotte ein gesuchtes Opfer für die Knallbonbons. Der Balkon sorgt dafür, dass dir die „Emotionalen Sounds für ein einzigartiges Fahrerlebnis“ schnell vergehen, wenn „der neue, kraftvolle Klang im EQE SUV“ im Doppel-Wumms nicht mehr zu hören ist und dein Heiligs Blechle Schaden nimmt.

Völker, hört die Signale! Spielt mir das Lied vom Kleinen Trompeter: Die diffuse Ablehnung des Staates in der Silvesternacht sei ein Alarmsignal, leutseligen die Regierenden. Wieso in der Silvesternacht? Sonst alles OK? Mehr Intelligenz wagen! Demokratie muss nicht nur erklärt werden, man muss sie auch verstehen. Betuchte Demokraten können sie sich kaufen, samt Zubehör. Minderreiche gucken in die Röhre oder in den Mond. Logisch – unser Staat kann sich nicht um alles kümmern – selbst ist die Frau! Allerdings sorgt sich nicht nur hierzulande der Staat zuvörderst dafür, dass zunächst alles mal so bleibt, außer in Lützerath. Es ist wie ein Exzess mit längerem Atem, würd‘ meine Omi Glimbzsch in Zittau sagen, Silvester-Feinstaub ignorieren und auf die Mikroplastik im grünen Salat und bei den Roten Beten verweisen: Rad-Abrieb, Autoverkehr, von hinten und von vorne.

Puma kaputt! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Puma kaputt! – Grohmanns "Wettern der Woche"

Nichts gegen Argentinien – wir sind ja alle Wessis! –, aber wahrer Weltmeister ist Coco-Cola: „süße Giftbrühe“ oder „Ami-Brause“, sagte meine Omi Glimbzsch aus Zittau schon zu DDR-Zeiten. Und heute? Kein Furz, kein Foto, kein Film aus Katarrh, bei dem nicht irgendwie, irgendwo fast alles durch Coca-Cola oder andere Sponsorensäfte versaut ist. Okay, man kriegt ja auch in Deutschland schon lange keinen Sportler mehr vor die Linse oder vors Mikro, der nicht irgendwie wie ein Werbeclown daherkommt – außer Boris Becker, der trägt in dieser Zeit Puma. Kein Interview ohne Werbewand, und wenn doch, gibt es für den Gefilmten saftige Sanktionen. Falls die öffentlich-rechtlichen oder privaten Medien das Spielchen nicht mitspielen wollen: kein Interview. Selbst bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres sind die Werberüpel dabei, und ich hab‘ die Sendung sooo geliebt!

Heute weiß ich: Wenn sich Werbung und Hurra-Journalismus küssen, bleibt kein Auge trocken. Alles wie bei Elon Musk, nur andersrum: Du kannst wählen wie bei den Waffen: ob im Kleiderschrank, der privaten Waffenkammer oder als Spielzeug. Aber wer legt schon seinen Kindern in diesen bitteren Zeiten noch einen Schützenpanzer, gar einen Puma, untern Tannenbaum? Marder, Leute, Marder! Nein, so mein‘ ich das nicht! Nur zum Spielen, zum Üben.

Xingbao riskiert jetzt alles – Puma bleibt im Sortiment. Das rotchinesische Unternehmen mit Sitz in Shantou (Gut Freund! Nicht schießen!, wie die Bundeswehr gern sagt) verfügt über das umfangreichste Waffenarsenal der Welt – halt: nur zum Spielen, aber alles originalgetreu. Alles mit Rückgaberecht, wie der echte Puma. Der ist – so die Info von Klaus, der das Modell in Facebook bewirbt – „der teuerste und der schwerste Schützenpanzer der Welt“. Für die wenigen Pazifisten unter uns: Xingbao hat keinen Betriebsrat, stellt Klemmbausteine her (wie Lego, nur mit noch mehr Mikroplastik). Damit könnt’ste auch die Krippe von Bethlehem im arabischen Stil bauen!

Klar, das ist alles nix gegen die echten Waffen, die mehr als eine Million Zivilisten in Deutschland mit dem offiziellen Segen der Ämter tragen dürfen – mal ist von 5,2 Millionen Waffen die Rede, mal von 5,5, mal von 5,9. Ist egal. Hauptsache, die funktionieren. Sonst wird geklagt.

Wenn wir schon vom Kaufen reden: bitte kein Mikroplastik mehr. Gefährlich! Nichts mit Acrylate Copolymer (AC), Acrylate Crosspolymer (ACS), Polyamide (PA, Nylon-6, Nylon-12), Polyacrylate (PA), Polymethylmethacrylate (PMMA), Polyethylene (PE), Polyethylenterephthalate (PET), Polypropylene (PP), Polystyrene (PS), Polyurethane (PUR)! Mein Motto dieses Jahr: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut, auch wenn sich das ja kein Mensch mehr leisten kann. Frohe Kaufnachten!

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.

Hausdurchsuchung! Razzia! – Grohmanns „Wettern der Woche“

Hausdurchsuchung! Razzia! – Grohmanns "Wettern der Woche"

„Nu, kennste nich Göte?“ würde mich meine Omi Glimbzsch aus Zittau in diesen Tagen fragen. Der wusste schon: „Man lobt euch halb und mit Erbarmen / Nach Golde drängt / am Golde hängt / doch alles / Ach, wir Armen! Gestern war ’se noch Vizepräsidentin und Sozialdemokratin im Europaparlament, heute sitzt ’se schon im Knast!“. Aber nich allene, Omi, würd‘ ich sagen, und: Auch Sozialdemokraten sind nur Menschen! Aber eben im Gegensatz zu uns Kleinkriminellen und Schwindlern vorgewarnt, wie die Reichsbürger bei den Razzien neulich. Die Bullen kommen – jetzt schnell alles unter’n Perser! Egal, wo der Teppich liegt – Katar, Zürich, Berlin, Brüssel. Anders gesagt: Bei Anruf: Fort! 

In Zeiten der Auf- und Abklärung und der superschnellen Infos erinnert man sich ungern an die Nachrichten von gestern, zu der auch diese zählt: Am 12. Dezember überfielen Reichsbürger die Einwohner von Kotelnikowo am Rande der Ukraine. Der Überfall war eingebettet und Teil des verbrecherischen Angriffskriegs der Reichsbürger gegen die Sowjetunion und die Ukraine vor 80 Jahren. Der öffentlich proklamierte Hintergrund des brutalen Überfalls: „…die vollständige Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und die Kolonialisierung der eroberten Gebiete“. Alle nicht ermordeten anderen Einwohner sollten als Arbeitssklaven ausgebeutet werden. Millionen Reichsbürger hatten sich entweder den Nazis unterworfen, waren selbst überzeugte Täter oder sind jubelnd mitmarschiert. Die Reichsbürger („Es waren nicht alle Nazis“) haben den Krieg verloren – nun danket alle Gott: Beim „Wintergewitter“ 1942 versagte die 4. Panzerarmee, Guderian versagte, Freiherr von Richthofen versagte, von Brauchitsch, von Manstein, ja die ganze Reichsbürger-Sippe versagte, auch wenn der eine oder andere Mörder nur wenige Jahre später die (westdeutsche) Regierung beim Aufbau einer neuen Wehrmacht beraten durfte. Die Reichsbürger von heute stellen richti-gerweise fest: Es gibt keinen Friedensvertrag. Aber der, ihr Blindgänger, wäre teuer geworden, und wir mussten damals sparen. Der 2 + 4-Vertrag jedenfalls war ein äußerst preiswertes Geschäft für die alten und die neuen Reichsbürger, gewissermaßen der Sieg nach der Niederlage.

Nach den Kriegen wird bekanntlich überall gern beim Frühschoppen um Schuld und Geld debattiert, zeitgleich auch integriert, restauriert, renoviert – alles wird neu: Deutsches Reich, Deutsche Bank, Deutsches Volk, Deutscher Bundestag. Dem Volke dienen, selbst in Brüssel und Doha. Aber Aufklärer haben überall schlechte Karten, doch vielleicht klappt’s ja diesmal und wir kriegen raus, wer die Betrüger in Brüssel und wer die Reichsbürger & Co. vorgewarnt hat. Bis dahin und für alle, die hinter dem Mond leben, eine gute Nachricht: Die Orion-Kapsel ist zurück. Sie hat alles gesehen. Jetzt wird ausgewertet. 

Links blinken – Grohmanns „Wettern der Woche“

Links blinken – Grohmanns "Wettern der Woche"

Unsere Außenministerin Annalena Baerbock – ja, auch Deine! – hat sich bei ihrem amerikanischen Amtskollegen Antony Blinken für Julian Assange eingesetzt und Blinken gebeten, auf eine Auslieferung des Todkranken und die weitere Strafverfolgung zu verzichten. Zeitgleich hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz in einem vertraulichen Telefonat mit US-Präsident Joe Biden angeboten, Julian Assange zum Weihnachtsfest im Rahmen der Aktion „Gnade“ in der Bundesrepublik Asyl zu gewähren. Das gelte auch für Deserteure und politische Flüchtlinge aus Russland. Die gehörten, wenn es so weitergehe, zur letzten Generation, die jeden verbrecherischen Krieg ablehne. Auf Druck der Bundesregierung wird aber auch der Europarat weiterhin Menschenrechtsaktivist:innen, demokratische Kräfte, freie Medien und die unabhängige Zivilgesellschaft in der Russischen Föderation unterstützen und mit diesen zusammenarbeiten. Menschen, die gegen Putin aufstehen.

Während der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) auf eine genaue Beobachtung der Klimaprotestgruppe „Letzte Generation“ durch deutsche Sicherheitsbehörden drängt, weil da „etwas im Gang ist, was gefährlich werden kann“ und bei dem der Staat nicht einfach zuschauen könne (wie bei Tempo 200, der Säzzer), funkt die Justiz dazwischen: Aus Sicht der Berliner Generalstaatsanwaltschaft geht von den Radikalen der „Letzten Generation“ keine „erhebliche Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit aus. Nicht genug damit: Nach der Staatsanwaltschaft Berlin hat auch die Generalstaatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ gegen Aktivist:innen der „Letzten Generation“ abgelehnt.

Richtig ist einerseits – auch wenn es vielen nicht passt –, dass bei uns die Demokratie herrscht, zu der auch noch die Gewaltenteilung kommt. Die Gewalten kontrollieren sich gegenseitig bis zum Geht-nicht-mehr, also optimal. Über alldem thront und wacht der Europäische Gerichtshof, der just heute 70 Jahre alt wird und an die bereits 1948 beschlossene Erklärung der Menschenrechte gebunden ist. Das macht naturgemäß vieles schwer, hat aber viele Vorteile fürs Individuum: Wenn es auf der Flucht ist, wenn es ihm dreckig geht, wenn ihm das Maul verboten wird, wenn es hungert, wenn es verfolgt, gefoltert, gedemütigt oder fast ermordet wird, kann es sich jederzeit an den Europäischen Gerichtshof wenden.

Das Gute daran: Europäisches Recht steht über nationalem Recht, sogar über dem von Polen, Ungarn, ja selbst Deutschland. Und das will was heißen! Gratulation also an den Europäischen Gerichtshof zum 70. Geburtstag, und an den Europarat mit allen 46 Mitgliedern, Gratulation selbst an alle 676 Millionen Bürgerinnen und Bürger!

Falsch ist andererseits der erste Absatz dieser Wetterei: manipulativ, verlogen, verleumderisch. Lügenpeter! Aber weiß man wirklich, wer wann mit wem und warum telefoniert oder lieber nicht?

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten. 

Rückblick auf die FriedensGala 2022

v. l. Sidar Carman, Matthias Schriefl, Schüler*innen des FEG, Frank Werneke, Peter Grohmann, Michael Rediske, Manfred Scheifele, Heide Roth, Foto: Astrid Meyer

Ein gut gefüllter Saal, Sidar Carman als Moderator*in, mit dem ver.di Vorsitzenden Frank Werneke und der Stuttgarter Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann zwei hochkompetente Laudator*innen, grandiose Musik von Matthias Schriefl und in Reporter ohne Grenzen und der Projektgruppe „Schule ohne Rassismus“ des Friedrich Eugens Gymnasium in Stuttgart mehr als würdige Preisträger: Das konnte sich sehen lassen, als am vergangenen Sonntagvormittag im Theaterhaus in Stuttgart zum zwanzigsten Mal der Stuttgarter FriedensPreis verliehen wurde.

Nach der Begrüßung durch AnStifter-Vorstand Hermann Zoller unterstrich Frank Werneke in seiner Laudatio die Bedeutung der Arbeit von Reporter ohne Grenzen für eine freie Presse und die Demokratie, die durch autokratische Staaten wie Russland und China, aber auch durch illiberale Staaten wie Ungarn oder Polen gefährdet seien. In diesem Zusammenhang verwies er auf den von Reporter ohne Grenzen mitgegründeten „JX Fund – European Fund for Journalism in Exile“, der Journalisten im Exil unterstützt und auch von ver.di unterstützt wird.

Frank Werneke, Foto: Astrid Meyer
Michael Rediske (Reporter ohne Grenzen), Foto: Astrid Meyer

Zur großen Erleichterung der Verantwortlichen traf die Stuttgarter Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann gerade noch rechtzeitig zu Ihrer Laudatio für die Projektgruppe „Schule ohne Rassismus“ am FEG ein. Sie würdigte das Engagement der Schüler*innen gegen Rassismus, Homophobie und Ausgrenzung. Die Jugendlichen hatten unter anderem einen Fotowettbewerb über jüdisches Leben in Stuttgart und ein gemeinsames Fastenbrechen von muslimischen und nicht-muslimischen Schüler*innen initiiert.

Alexandra Sußmann, Foto: Astrid Meyer

Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung durch den Jazzmusiker Matthias Schriefl an insgesamt ca. zehn verschiedenen Instrumenten, von Piccoloflöte bis Alphorn.

Matthias Schriefl, Foto: Astrid Meyer

Unser Dank gilt natürlich allen an der Veranstaltung beteiligten Personen, aber auch Ihnen, den AnStifter*innen, die die Preisträger*innen vorgeschlagen und gewählt haben.

Weitere Berichte:

Stuttgart: Initiative „Die Anstifter“ verleiht Friedenspreise – SWR Aktuell

Friedensgala im Theaterhaus: „Reporter ohne Grenzen“ ausgezeichnet – Stuttgart – Stuttgarter Zeitung (stuttgarter-zeitung.de)

China bebt! – Grohmanns „Wettern der Woche“

China bebt! – Grohmanns "Wettern der Woche"

China bebt
Die Welt jubelt: In China wird demonstriert! Gegen Xi (für meine alten China-Freunde: 習近平 / 近平), gegen die korrupten und anderen Kommunisten, gegen den Kapitalismus, für Menschenrechte. Steht auf, rufen die Demonstranten, steht auf, rufen auch die Demonstrantinnen! Alle, die keine Sklaven mehr sein möchten, rufen sie, steht auf! Erhebt Euch!

Normalerweise stehen meisten Massenmedien unseres Vaterlandes und die ihnen unterstellten Regierungen derartigen Forderungen eher skeptisch gegenüber. Eine Demo muss angemeldet und genehmigt werden, glauben sie. Aber Glauben ist nicht Wissen: Bei uns haben nämlich alle Deutschen das Recht, sich jederzeit ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln – und das auch noch ungehindert durch die Polizei!

Meine Omi Glimbzsch aus Zittau (Ex-DDR) hat seinerzeit das (für sie neue) Gesetz sofort angesprochen und motiviert! 1993 ist sie Hals über Kopf von Zittau nach Bischofferode aufgebrochen – nur das Grundgesetz unterm Arm und ein kleines Vesper dabei – um sich dem Hungerstreik der Kalikumpel anzuschließen und mit denen das rentabel arbeitende Kali-Werk zu besetzen und die Arbeitsplätze zu erhalten. Heute wissen wir: Das Kali-Kartell hat gesiegt, das Grundgesetz nischt genützt und die Omi verloren. Ja, dr Deufl is halt n Aischhörschen, wie man in Sachsen sagt (Dr Deifl isch a Eichhörnle).

Wir alten Sklavenhalter tun uns natürgemäß schwer mit demokratischen Rechten, können uns aber unisono gern der Forderung an die Menschen in Kuba, Moskau und Shanghai anschließen: „Steht auf! Alle, die keine Sklaven mehr sein wollen!“ Hinzufügen müßte man: Aber klebt euch bloss nicht an! Das Beispiel könnte Schule machen, Weihnachtsmärkte stören und die blühenden Landschaften absterben lassen. Die ersten Blätter fallen längs.

Es gibt eine weitere Forderung, die im Weihnachtstrubel unterzugehen droht: Kriegsverbrecher bestrafen! Aber wie? fragt die Welt. Fragt uns, sag‘ ich da! Bei uns wurden nach dem wieder verlorenen Weltkrieg Zwo die alten Kriegsverbrecher einfach in die Demokratie integriert – das war für sie Strafe genug. Sie wurden wieder Generäle, Richter, Staatsanwälte, wurden Berater, Minister, Staatssekretäre, übernahmen Medienhäuser, Konzerne, Banken, Bundestagsmandate, Verbände, Heilanstalten, ja ganze Kirchen! Und? fragen Sie jetzt vielleicht. Was soll’s? Schwein gehabt! Wir haben geerbt! Alles. Auch das von den Juden. Und Togo bleibt deutsch.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Meine Klima-RAF – Grohmanns „Wettern der Woche“

Meine Klima-RAF – Grohmanns "Wettern der Woche"

Meine Klima-RAF

Meine Klima-RAF lässt sich nicht einschüchtern, Ihre vielleicht, aber meine nicht! Egal, ob nun Flüsse austrocknen oder keine Schmetterlinge mehr fliegen oder Bienen sich aufs Nichtsummen verlegen: Bestäuben kann man die Blüten der Zivilisation auch mit den in der VR China entwickelten Mini-Drohnen – und die stechen nicht. Wenn Wälder verrecken? Meine Klima-RAF steht wie ein Baum und brüderlich wie ein Wald Hand in Hand mit dem Auerhahn gegen Windräder und für ein Tempo-Limit ab 250 km/h. Es geht meiner Klima-RAF am Arsch vorbei, wenn 2019 in der EU (angeblich!) mehr als 300 000 Menschen durch Luftbelastung, Feinstaub und andere Schadstoffe ums Leben kamen und 150 000 der vorzeitig Totgemachten heute noch leben würden – wenn alle Mitgliedstaaten die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation eingehalten hätten, behauptet die Europäische Umweltagentur EEA. Beweise? Na also! 

Aber auch im Straßenverkehr gibt es hin und wieder Tote. Tote. Meine Klima-RAF zwischen Untertürkheim und Zuffenhausen kann da positive Zahlen liefern: 2021 gab es 157 Tote weniger als 2020, 157 weniger! Also im Schnitt nur sieben Getötete und 885 Verletzte täglich. Wenn also wird der Verkehr wieder und wieder schlecht gemacht wird, dann aus rein ideologischen Gründen.

Seite an Seite mit meiner Klima-RAF kämpft die Zucker-und-Gift-RAF in der Chemieparklandschaft Deutschland – das ist weltweit einzigartig! Mehrere hundert Hektar Fläche, eine eigene Verkehrsinfrastruktur mit Schienennetzen, Pipelines oder Häfen sind die Alleinstellungsmerkmale der deutschen Chemieparks. Anders gesagt: In diesen unseren Chemieparks hat die Natur gut lachen! Logisch, dass die Kommunisten bei Grünen und SPD die Zucker-und-Gift-RAF an die Leine nehmen wollen – also keine Antibiotika, kein Dioxin mehr im Futter (höchstens bei Schweinen), keine Schwermetalle und kaum Pestizide. Gottseidank sind die machtlos. Nein, nicht die Schweine, die Kommunisten. Merke also: Wer sein Essen vor dem Verzehr gründlich wäscht, kann gesund werden, oder?

In einem der reichsten Industrieländer der Welt, in Deutschland, müssen Menschen an gefährlichen Lebensmitteln sterben, weil Profit wichtiger ist als das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit!„. Mit solchen Irrlichtern macht etwa Foodwatch Stimmung gegen unsere in freien und geheimes Wahlen gewählte Regierung und nimmt selbst die FDP und die CDU/CSU nicht aus. Andernorts wird gegen Mikroplastik gehetzt und behauptet, dass auch in unserer Demokratie Meere, Flüsse, Seen und Böden durch Mikro- oder Nanoplastik kontaminiert würden – Fische und andere Lebewesen wie wir fräßen es, Pflan-zen nähmen es über die Wurzeln auf. So gelangten die Kunststoffartikel über die Nahrungskette auch in den menschlichen Körper. Jetzt mal ganz unter uns: Bei mir ist nichts zu sehen, auch wenn meine Omi Glimbzsch in Zittau zur Vorsicht rät: Nie Coca-Cola, keinen Fisch mehr, kein Salz, kein Zucker, kein Obst oder gar Gemüse, keine Kartoffeln, keine Nudeln, kein Fleisch und vor allem keinen Christstollen.

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator des Bürgerprojekts Die AnStifter.

Last Generation – Grohmanns „Wettern der Woche“

Last Generation – Grohmanns "Wettern der Woche"

Auf Wikipedia wird zum Thema „Maul stopfen“ treffend gesagt, dass auf diese Weise wer auch immer durch Geld, Bestechung und andere Grobheiten zum Stillschweigen veranlasst werde. Oder, besser noch, durch (angedrohte) Gewalt, Bestrafung, Verhaftung mundtot gemacht werde. Gleich ganz erschossen wird man vor allem in Brasilien.

Das Maul stopfen mit Geld – das ist es, was wir dieser Tage in den gut temperierten Sälen im ägyptischen Sharm El Sheikh bei der 27. Weltklima-Konferenz hautnah miterleben dürfen: Den Meckerärschen aus den untergehenden Reichen wird ein letztes Mal Redefreiheit gewährt – zeitgleich werden die Kritiker aus dem Land am Nil den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen. Hausmannskost. Wir kosten mit.

Zugegeben: Dass der Meeresspiegel steigt, ist vor allem Friedrich Merz zu danken. Nein, er hat’s nicht allein gemacht, wir haben geholfen. Aber er und seinesgleichen haben viel Geld in die Hand gekriegt, um Klima und Stimmung anzuheizen und Stimmen zu bekommen. Es ist nicht neu, „auch unsere Demokratie gehört zur kritischen Infrastruktur. Und sie steht unter Druck. Sie schützen können nur wir selbst. Das verlangt von uns Demokraten mehr als Bekenntnisse. Es verlangt Engagement, (…) Widerstandsgeist und Widerstandskraft“, behauptete jüngst der Bundespräsident.

Zugegeben, an Kraft und Geist fehlt es heute ja weltweit, ganz im Gegensatz zum Geld. Die armgehaltenen Länder, denen das Wasser bis zum Hals steht (Unterkante Oberlippe, wie meine Omi Glimbzsch aus Zittau weiß), müssen bei ihrer Rede- und Gedankenfreiheit und ihrem Engagement für die Demokratie in Sharm El Sheikh freundlich und höflich bleiben beim Betteln und versprechen, dass sie uns die Klimaflüchtlinge vom Hals halten. Dann wird bezahlt, aber nur dann.

Seitenwechsel, rechts fahren: Friedrich Merz und seine Bande – das sind in Wahrheit die Leute der letzten Generation, egal, ob sie fliegen oder segeln oder radeln, ob sie Kombis, Limousinen, Coupés, SUVs, Cabriolets, Roadster, Vans oder Betonmischer fahren oder Twitter kaufen. Hinter, vor und neben ihnen stehen die hartgesottenen Retter von Abendland und Kapital – die Blackrocker aus Philadelphia, Budapest, Rom, Stockholm, Warschau etc. pp.

Nebenbei: Die Mercedes-Benz Group ist der größte Einzelaktionär der Daimler Truck Holding. Große Anteilseigner: die chinesische BAIC Group, der chinesische Investor Li Shufu, der Staatsfonds von Kuwait, um nur ein paar zu nennen. Mercedes baut die sichersten und schnellsten Autos der Welt, die größten Betonmischer und die schnellsten Krankenwagen. Ham’se mal ne Mark?

Peter Grohmann ist Kabarettist und Koordinator von Bürgerprojekten.