Offener Brief an Kurt Schrimm

Die AnStifter-Initiative Sant’Anna wandte sich am mit einem Offenen Brief an Kurt Schrimm
(bis Ende September Leiter der Ludwigsburger Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen):

„Sie ziehen in diesem Interview [vom 5.8.2014 in der StZ] eine Bilanz Ihrer 15-jährigen Amtszeit. Dass Sie dabei auf Ihre Erfolge und auf Ihre Leistungen hinweisen, ist für mich selbstverständlich. Diese sollen auch nicht geschmälert werden, wenn ich auf einen kritischen Punkt hinweise: Bei Ihren Antworten auf Fragen nach Versäumnissen, Fehlern, Zufriedenheit oder Desillusionierung taucht an keiner Stelle der Name Sant’Anna auf, obwohl Sie – soweit ich richtig informiert bin – intensiv mit den Ermittlungen beschäftigt waren, auch in Italien. Die Zentralstelle hat den Fall 2002 an die Stuttgarter Staatsanwaltschaft – zuständig Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler – abgegeben. Deren Ermittlungsverfahren wurde dann im Jahr 2012 eingestellt. …

Sie äußern sich in Ihrem Interview freimütig zu den verschiedensten Verfahren, warum eigentlich nicht zu dem – auch räumlich – naheliegenden von Sant’Anna? …“

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Später wurde bekannt, dass sich Herr Schrimm einmal doch dazu geäußert hat, und zwar in der Juli-Ausgabe der Stuttgarter Straßenzeitung Trott-war – ganz auf Häußler-Linie:

Schrimm in trott-war Juli 2015

Damit konfrontiert und auf den Offenen Brief, antwortete Schrimm am 25.9.2015:

„Sehr geehrter Herr …, als Privatmann steht es Ihnen selbstverständlich frei, von den sich  widersprechenden Entscheidungen  die Ihnen genehme herauszusuchen. Ich sehe allerdings keine Veranlassung, mich für meine persönliche Meinung bzw. meine angeblichen Äußerungen gegenüber Dritten  vor Ihnen zu rechtfertigen.“

 Unsere Antwort darauf am 30.9.2015:
„Ihre Mail haben wir erhalten. Ihre Antwort hat uns schon sehr erstaunt: Sie adressieren mich als „Privatmann“, ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass Ihnen entgangen ist, dass ich im Namen und Auftrag einer zivilgesellschaftlichen Gruppe, nämlich der Stuttgarter AnStifter-Initiative Sant’Anna, geschrieben habe.
Diese Gruppe hat sich 2012 zusammengefunden mit dem Anliegen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die von der Staatanwaltschaft Stuttgart verfügte Einstellung der Ermittlungen gegen die mutmaßlichen Täter zu lenken, gegen diese mit publizistischen und juristischen Möglichkeiten vorzugehen sowie den vom Massaker betroffenen Menschen in Sant’Anna Solidarität zu zeigen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen. In aller Bescheidenheit kann ich darauf hinweisen, dass wir einiges erreichen konnten, auch im Zusammenwirken mit politischen Institutionen wie dem Stuttgarter Staatsministerium und dem Kultusministerium sowie dem Auswärtigen Amt. So wurde im Zusammenhang mit der Verleihung des Stuttgarter Friedenspreises an die Massakerüberlebenden Enrico Pieri und Enio Mancini von dem Verein der AnStifter der Empfang einer etwa 50-köpfigen Delegation aus Sant’Anna und Umgebung durch Ministerpräsident Kretschmann vermittelt. Auch wenn die strafrechtlichen Möglichkeiten in Bezug auf die Täter von Sant’Anna nun erschöpft scheinen, halten wir unser Anliegen weiterhin für legitim und sinnvoll. Dazu gehören auch Anfragen an Institutionen und Personen, die mit dem Fall Sant’Anna im engeren oder weiteren Sinne zu tun haben oder hatten. Von daher kann aus unserer Sicht auch nicht angehen, dass Sie unseren Offenen Brief als Privatsache einer Einzelperson abwerten.
Wenn Sie schreiben, wir würden „von den sich widersprechenden Entscheidungen die [uns] genehme heraussuchen“, so können wir diese Relativierung im Sinne des gängigen Satzes „So viele Juristen – so viele Meinungen“ nicht akzeptieren. Glauben Sie wirklich, dass die Einstellungsverfügung der Stuttgarter Staatsanwälte den gleichen Rang verdient, wie der Beschluss des OLG Karlsruhe und die Auffassung der Hamburger Staatsanwaltschaft vom Tathergang, nachdem den Stuttgartern sowohl in vielen Details als auch in der Gesamteinschätzung und der Bewertung von Beweisen zahlreiche, z.T. fundamentale Fehler nachgewiesen worden waren? …“
Und in unserer ErklärungHäußler siegt – Justitia hat verloren“ vom 29.9.2015 schreiben wir dazu:
Für uns stellt die Reaktion Schrimms einen weiteren Affront gegenüber dem Militärgericht von La Spezia und gegenüber den Opfern des Massakers dar. Darüber hinaus beschädigt er mit der kritiklosen Übernahme der Haltung Häußlers die wichtige Arbeit und den guten Ruf der Mitarbeiter_innen der Ludwigsburger Zentralstelle, der er persönlich noch vorsteht. Schließlich sehen wir in seiner Antwort den Ausdruck einer überwunden geglaubten Arroganz staatlicher Funktionsträger gegenüber zivilgesellschaftlichen Gruppen, in diesem Fall eines prominenten Juristen gegenüber einer Initiative, die zumindest kleine Erfolge erzielt hat beim Versuch, Versäumnissen der deutschen Justiz, v.a. der baden-württembergischen, etwas entgegenzusetzen: Unterstützung der Opfer in ihrem Kampf um Gerechtigkeit, Worte und Zeichen der Solidarität mit ihnen. …“